Zauberlaterne
Ein magisches Rasierzeug
In der alten Burg Schreckenstein zieht es durch alle Fenster¸ das Dach ist undicht und Mutter Schute unzufrieden mit ihrem Sohn. "Andere junge Ritter ziehen aus¸ bezwingen Riesen und Zwerge¸ töten Drachen und heiraten wohlhabende Feen. Deswegen können sie auch ihre Burgen anständig halten und ihre Mütter bekommen auch nicht das Zipperlin.
Also muss Ritter Kunibert auf Abenteuer ausziehen¸ wie es sich für einen Ritter gehört. Er sattelt seine alte Mähre¸ ruft seinen Knappen¸ verabschiedet sich von seiner Mutter und überlegt¸ während er den Burgweg hinabreitet¸ ob sein Vater "deswegen keine wohlhabende Fee habe finden können¸ weil er aus Versehen die Fee erschlagen und statt ihrer den Dra..."
"Im nächsten Dorf aßen sie zu Mittag¸ und als sie satt waren¸ rief der Ritter: Zenzi¸ gelt¸ Sie bringen uns den Kaffee in den Garten?' Zenzi kam¸ zog einen großen Kamm aus der Frisur und kratzte sich damit umständlich am Kopf. [...] Kaffee gibt`s eigentlich erst nach den Kreuzzügen'¸ sagte sie gedankenvoll. aber weil sie es sind ...'"
Bald findet Kunibert auch seine Prinzessin¸ aber wie in jedem anständigen Märchen muss er drei Aufgaben lösen¸ um ihre Hand zu gewinnen.
Die erste ist noch leicht¸ doch schon die zweite hat es in sich: Er muss das magischen Rasierzeug finden¸ das die Fee Süffisande ihrem Liebhaber vor Urzeiten geschenkt hat. Sein Messer wird nie stumpf¸ seine Seife nützt sich nicht ab und dessen Pinsel schlägt von selbst den Schaum. Das möchte König Kasimir der Zartbesaitete¸ der Vater der Prinzessin¸ haben und Kunibert muss viele Länder und Meere durchstreifen¸ bis er die Einzelteile aufgetrieben hat.
Natürlich muss er zahlreiche Abenteuer auf seiner Reise bestehen und lernt dabei einen Drachen kennen¸ der gerne Apfelkuchen isst; den Ex-König von Speyer¸ der sein Königreich verlor und jetzt vom Drehorgelspielen leben muss; einen Schneekönig mit Hadschi-Halef-Omar Bart; einen Grasaffen¸ der sich als grün angestrichener Schiffsjunge entpuppt und einen Berggeist namens Kanalape¸ der leider etwas schwerhörig ist ...
Witzig ist der Text und sarkastisch nimmt er die Ritterromane und Opern aus dem 19. und Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts aufs Korn¸ aber seine Seitenhiebe treffen heutige Fantasybücher genauso. Gleichzeitig ist es auch ein Abenteuerbuch¸ das man bald nicht mehr aus der Hand legen mag.
Wer sich in der Literatur auskennt¸ wird zahlreiche Anspielungen erkennen¸ aber man muss keine einzige davon verstehen¸ um von dem Buch gefesselt zu werden.
Wolfheinrich von der Mülbe hat bereits 1937 dieses farbige Märchen voller Magie und Ironie geschrieben¸ Rotraut Susanne Berner hat es illustriert. Das Buch¸ das eine kleine¸ aber treue Fangemeinde hat¸ ist damit endlich wieder erhältlich. Für Märchen- und Fantasyfans von 12 bis 120 ein absolutes Muss.
Über den Autor: Wolfheinrich von der Mülbe (1879-1965) war Literatur- und Kunstgeschichtler¸ hat zahlreiche Übersetzungen veröffentlicht (unter anderem: Küsschen¸ Küsschen¸ von R. Dahl)¸ "Die Zauberlaterne" schrieb er 1937.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de