Wunderlicht
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Rose ist ein einsames gehörloses Mädchen. Die Tochter eines Filmstars¸ fühlt sich einsam und isoliert von den anderen Kindern. Betreut von einem Hauslehrer lernt sie zwar¸ was notwendig ist¸ doch die Einsamkeit macht ihr zu schaffen. Ihre geschiedenen Eltern sind auch keine grosse Hilfe. Sie lebt bei ihrem Vater und kann die Mutter nur aus der Ferne bewundern. Als sie von zuhause davonläuft¸ um bei ihrer Mutter in New York zu sein¸ zeigt diese wenig Verständnis für sie. Im Gegenteil¸ ihr ist die eigene Tochter eher peinlich und möchte ihre Tochter zurück in ihr abgeriegeltes Zuhause schicken. Rose will nicht zurück zum Vater und der Abgeschiedenheit. Daher sucht sie Trost im Museum für Naturkunde¸ wo ihr Bruder Walter arbeitet. Walter nimmt sie bei sich auf.
Das Jahr 1977
Ben ist von Geburt an auf einem Ohr taub¸ fühlt sich einsam und verlassen¸ lebt bei seiner Tante und seinem Onkel¸ seit seine Mutter gestorben ist. Durch Zufall fällt ihm ein Hinweis auf den Aufenthaltsort seines Vaters in die Hände. Die Metropole New York! Ben kennt seinen Vater nicht und möchte ihn unbedingt finden¸ zumindest ein wenig Familie haben¸ die Onkel und Tante ihm nicht bieten. So macht er sich auf den Weg in die Grossstadt¸ obwohl er kurz zuvor durch einen Blitzschlag auf dem anderen Ohr sein Gehör verlor. In New York findet er seinen Vater unter der gefundenen Adresse nicht. Auch die Buchhandlung hat inzwischen geschlossen¸ die ihm als weitere Information diente. Im Naturkundemuseum lernt er Jamie kennen¸ der sich etwas um den obdachlosen Jungen kümmert und ihm in einem geheimen Raum des Museums Unterschlupf gewährt. Ben gibt nicht auf¸ seinen Vater zu finden. In Jamie fand er einen echten Freund¸ der ihn versteht.
Nachdem Brian Selznick mit Die Entdeckung des Hugo Cabret ein ganz wundervolles Buch veröffentlichte¸ sind die Erwartungen an den Folgeband hoch. Wobei der Begriff Folgeband nicht ganz richtig ist¸ da sich die Geschichte um Hugo nicht fortsetzt. Stattdessen findet sich ein brillianter Roman. Eigentlich sollte man Bilderbuch oder Comic verwenden¸ denn die ausdrucksstarken und beeindruckenden Bilder überwiegen eindeutig. Es erzählt die Geschichten von Ben und Rose¸ die sich zufällig im Naturkundemuseum treffen und sich so sehr ähneln und doch ganz anders sind.
Immer wieder tauchen Parallelen auf zwischen Ben und Rose. Die Geschichte von Rose wird zunächst nur recht einfach und doch ausdrucksstark beschrieben. Das Buch bietet einige Überraschungen. Die Geschichte geht ans Herz und bleibt noch lange nach in den Gedanken der Leser. Animiert vom Titel Wunderlicht¸ hielt ich das Buch für einen phantastischen Titel und musste mich letztlich korrigieren. Es ist ein Buch¸ dass die Gehörlosenkultur in zwei Generationen in den Mittelpunkt stellt und mit ihm zwei behinderte Kinder¸ deren unterschiedlichen Lebensläufe hauptsächlich auf die fünfzig Jahre Unterschied zu schieben sind.
Dem Autor merkt man an¸ dass an den Figuren sein Herzblut klebt. Und ich denke¸ als Leser¸ dieses Gefühl wird auch auf die jungen Leserinnen und Leser überspringen. Zudem Brian Selznick hat das Buch mit einigen Zeichnungen selbst versehen. Brian Selznick ist ein prreisgekrönter Zeichner. In beiden Berufen¸ Autor wie Zeichner¸ zeigt er ein unglaubliches Gespür für die Lage¸ in die er seine Handlungsträger bringt. Gleiches gilt für die Personen¸ die in ihren beiden Handlungssträngen zu einer schönen Geschichte verwoben werden. Darüber hinaus ist der Roman ein Buch um Glaube¸ Liebe und Hoffnung¸ um Träume und um Freundschaft.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355