Von Feuer und Dampf
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Stefan Cernohuby als Herausgeber präsentiert die faszinierende Anthologie Von Feuer und Dampf deren Erzählungen locker miteinander verbunden sind. Von daher stellt die Anthologie eher einen Episodenroman dar¸ statt einer Kurzgeschichtensammlung. Den Autoren ist es gelungen¸ eine komplette Alternativ-Welt mit Leben zu erschaffen¸ beherrscht von der alles dominierenden Dampfkraft. Sie begegnet dem Leser überall¸ vom Automobil¸ zum Zeppelin¸ bis hin zu den kleinsten alltäglichen Dingen. Die Autorinnen und Autoren steckten eine Menge Arbeit in dieses Projekt. Und das¸ obwohl Steampunk¸ zwar gern in den Mund genommen und die Diskussion geworfen¸ aber wenig gelesen wird. Die grossen Verlage haben Steampunk schon längst in den Bereich Jugendbuch abgewunken. In den vier Handlungsorten spielen mehrere Kurzgeschichten. Jede Erzählung ist unabhängig von den anderen Geschichten¸ doch finden immer wieder Charaktere Eingang in andere Geschichten. Die literarischen Visionen eines Jules Verne¸ der seine Wirklichkeit in die Zukunft verfrachtete¸ holen die Steampunkautoren hervor. In einer viktorianischen Ära¸ in der die Technik die Welt zu erobern begann¸ verlor die Petrochemie zu Gunsten der Dampfkraft. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die sozialen Strukturen. Da ist etwa der junge Erik Kardis¸ der Dortmund und die Kohlegruben verlässt¸ um in Berlin sein Glück zu machen. Hier leben Männer und Frauen¸ die versuchen ihre Visionen zu verwirklichen. Da ist etwa Elisabeth¸ Tochter eines verarmten aber standesbewussten Adligen. Ein Geschwisterpaar¸ das eine Dampfwäscherei betreibt¸ die Entdecker- und Erfinderfamilie Rosenbaum und andere mehr.
Die Geschichten zeigen die Arbeit der Autoren und ihre Zusammenarbeit und den Ideenaustausch. Allerdings hätte ich mir mehr Zusammenhang zwischen den Erzählungen gewünscht. Hier stechen die Wien-Geschichten heraus¸ während München ein wenig hinterher hinkt. Dennoch¸ jede einzelne Geschichte liest sich hervorragend und es fällt schwer¸ das Buch aus der Hand zu legen. Gerd Scherm mit seiner Erzählung Der Rosenbaum-Golem und Andreas Gruber mit seiner Geschichte Die Weltmaschine hoben sich aus den ganzen Erzählungen besonders hervor. Jede der mehr als ein Dutzend Geschichten ist in sich geschlossen. Ein lockerer roter Faden zieht sich durch den Band und gelegentlich treten Personen in den Erzählungen von verschiedenen Autoren auf. Zumindest gelang es den Autoren¸ eine in sich stimmige Steampunk-Welt zu erschaffen. Sie lässt die Gesellschaft des ausgehenden 19ten Jahrhunderts glaubhaft auferstehen und die technologischen Entwicklungen lebendig werden¸ die es in dieser Form nie gegeben hat.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355