Vom Rentierjäger zum Raubritter
'Vom Rentierjäger zum Raubritter' beschäftigt sich mit dem Teil der menschlichen Geschichte¸ die sich von 9000 vor bis 1600 nach Christus abgespielt hat. Also¸ wie der Titel schon sagt¸ von der Zeit der Rentierjäger bis zu der der Raubritter. Dabei handelt es sich aber keineswegs um ein trockenes Geschichtsbuch¸ in dem man keine zwei Seiten am Stück lesen kann¸ sondern um 15 spannende Geschichten.
Diese Erzählungen orientieren sich meistens an Funden aus der jeweiligen Epoche. So lässt die Autorin Tonny Vos-Dahmen von Buchholz die mögliche Vergangenheit eines Steins¸ in den ein tanzendes Mädchen eingraviert wurde¸ wieder lebendig werden¸ indem sie eine Menge Fantasie und Spannung hinzugibt: Vor den Augen des Lesers lässt sie die vergangene Landschaft wieder auferstehen¸ in der einst die Rentierjäger lebten und arbeiteten. Sie berichtet von einem Jäger namens Orf¸ der in ein Mädchen von einer anderen Horde verliebt ist. Aber leider ist es für die beiden nicht so einfach¸ ein Paar zu werden¸ denn der Vater von Ena möchte aber lieber Rangi¸ das erfolgreiche Oberhaupt des Nachbarstammes¸ als seinen Schwiegersohn sehen. Eines Abends treffen sich Orf und Ena heimlich im Wald¸ wo sie einander die Treue versprechen und Orf als Zeichen dafür ein Bildnis von Ena in seinen Druckstein ritzt. Als Ena erfährt¸ dass sie von ihrem Vater an Rangi versprochen worden ist¸ beschließt sie¸ sich zu verstecken und zu warten¸ bis ihre Horde nach der Rentierjagd¸ die fast ein halbes Jahr dauert¸ wieder zurückkehren würde. Sie muss nun alleine versuchen zu überleben¸ damit sie ihr Versprechen an Orf halten kann. Denn Rangi würde bestimmt nicht so lange warten¸ wenn er nicht einmal wüsste¸ ob sie noch am Leben ist¸ sondern sich eine andere zur Frau nehmen. Ena schaffte es auch tatsächlich¸ den Winter zu überstehen und kann endlich mit ihrem geliebten Orf zusammen sein.
Doch hier liegt auch leider schon der Haken¸ der ansonsten gelungenen Geschichte: Wenn man am Ende angelangt ist verspürt man immer noch diesen innerlicher Drang weiterzulesen¸ was aber nicht möglich ist¸ weil da nichts weiter über Orf¸ Ena und die anderen Mitglieder der Rentierjägerhorden steht.
Dieses Problem zieht sich durch das ganze Buch¸ da eigentlich jede der Geschichten zu schnell aufhört. Sei es die Geschichte vom Eichengott¸ von den heiligen Beilen oder dem Altar für die Göttin Nehalennia - jede einzelne hätte locker ein ganzes Buch füllen können und wäre immer noch spannend gewesen. Als nützlich¸ aber leider noch weiter spannungshemmend¸ erweisen sich die historischen Quellenangaben und Museumsempfehlungen¸ die nach jeder einzelnen Geschichte folgen. Hier wird immer darauf verwiesen¸ welcher historische Fund der jeweiligen Erzählung zu Grunde liegt und wo man diesen oder ähnliche Dinge finden kann. Dennoch eignet sich dieses Buch eher zur Unterhaltung als zur historischen Bildung¸ da ja nur wenige Ausschnitte aus der Geschichte angesprochen werden. Außerdem geht es in den Erzählungen mehr um die Lebensweisen des 'kleinen Mannes' und der 'kleinen Frau'¸ weshalb die sonst in der Geschichte relevanten Könige und Jahreszahlen - glücklicherweise - ausgespart werden.
Zu erwähnen ist noch¸ dass 'Vom Rentierjäger zum Raubritter' den niederländischen Jugendliteraturpreis 'Silberner Griffel' erhalten hat¸ was aber nicht bedeutet¸ dass das Buch nur von Jugendlichen gelesen werden kann. Die Sprache ist zwar so gewählt¸ dass sie auch für die Jüngeren verständlich ist¸ artet aber noch lange nicht in naives Kindergeplapper aus¸ weshalb das Buch auch noch für 'große' Abenteurer geeignet ist.
Fazit also: Ein gutes¸ spannendes und einfach geschriebenes Buch¸ aus dem aber noch viel mehr hätte werden können.
Eine Rezension von: Ulrike Bopp http://www.buchwurm.info/