Verlorene Paradiese
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
In ihrem vorliegenden Roman Verlorene Paradiese ¸ (dem ersten in Deutschland erscheinenden seit 2003 schildert die Autorin die Erlebnisse der Besatzung des Generationenraumschiffes Discovery. Mehr als einhundert Jahre ist der Start von der Erde her. Ziel der langen Reise ist es¸ einen erdähnlichen Planeten zu finden¸ zu erforschen und für eine mögliche Besiedlung zu testen. Ein Leben in einer neuen Welt¸ die dafür geeignet ist¸ der Menschheit einen neuen Anfang zu ermöglichen. Das Zusammenleben an Bord der Discovery entwickelt sich nicht so wie geplant. Die Welt in dem Raumschiff ist ähnlich abgeschlossen wie auf einem Planeten¸ nur auf einem viel kleineren Platz. Noch verläuft die Reise nach den ursprünglichen vorgesehenen Muster. Die lange Reise in die Unendlichkeit des Alls sorgt dafür¸ dass nicht jede Generation den Startplaneten oder den Zielplaneten betreten wird. Langsam nähert sich das Raumschiff seinem Ziel¸ doch die Menschen auf der Discovery haben längst andere Prioritäten gesetzt. Was etwas fehlt sind die Einzelschicksale und die "bedrückende Enge" die zumindest die erste Generation auf dem Schiff haben musste¸ die nächsten Generationen werden sich an die gegebene Lage anpassen (müssen. Es gibt keine Alternative. Doch mit jedem Lichtjahr¸ dass die Discovery ihrem Ziel näher kommt¸ müssen sich die zukünftigen Siedler entschei-den. Siedeln oder lieber weiterfliegen. Hier gelingt es der Autorin nicht¸ sich der schriftstellerischen Herausforderung zu stellen. Mit der neu gegründeten Religionsgemeinschaft an Bord der Discovery¸ den sogenannten Bliss¸ entsteht eine Gruppe von Menschen¸ die ihre Stahlhülle als eine Art Mutterleib betrachtet. Die feindliche Umwelt dort draussen schützt die Menschen an Bord¸ behütet sie. Die Bliss sehen in ihrem zuhause keine Vorrichtung¸ um auf anderen Planeten zu siedeln¸ oder neues Leben zu bringen (dabei wäre diese Idee¸ die "Befruchter" eines Planeten zu sein¸ einmal eine neue Version. Da die Bliss inzwischen die wichtigsten Positionen in der Gesellschaft innehaben¸ kommt es zu Konfrontationen mit den anderen Mitbewohnern der Innenwelt Raumschiff. Eine endgültige¸ auf eine Seite ausgerichtete Lösung ist jedoch nicht in Sicht. Der nächste Schritt den Ursula K. Le Guin geht¸ ist den Konflikt der Gruppen auf die beiden Personen Hsing und Luis zu übertragen und die Lösung des Problems der beiden wird zur Lösung des grossen Problems. Denn am Ende der Erzählung finden sich beide Gruppen in ihrem jeweiligen Paradies wieder. Dabei ist keines wirklich verloren¸ denn jede Gruppe besitzt ihr Paradies.
Ursula K. Le Guin hat diese Geschichte in einem wunderschönen Stil geschrieben. In der Novelle wurde alles zusammengefasst was in die Geschichte gehört¸ allerdings finde ich aus meiner Sicht den Titel nicht passend. Letztlich wird er dem Ende der Erzählung nicht gerecht. Die Autorin zeigt sich in ihrem hohen Alter immer noch als gute Beobachterin souveräne Erzählerin und grossartige Stilistin und beschreibt gekonnt und mit bleibenden Eindruck¸ die einzelnen Gesellschaftsformen. Sie ist eine Vertreterin moderner klassischer Literatur geworden¸ der es gelingt den heutigen Leser zu überzeugen.
Horst Illmer übersetzte gut und schuf eine deutsche Fassung¸ die Sprache und Stil perfekt aufzeigt und zu einem in Deutsch lesenswertem Werk macht. Ein eindrucksvolles Werk¸ das zwar mit einer ganzen Ideen aufwarten kann seinen Glanz aber durch die intensive und stilistisch einwandfreie Sprache bekommt.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355