Vampir - Chronik: Pandora - Erinnerungen einer Vampirin
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Anne Rice ´s "Pandora" bietet eine neue¸ andere Entstehungsgeschichte des Vampirs und ganzer Nachfolgender Generationen an. Ihre Sichtweise ist eine völlig andere und ihre Blutsauger sind keine dunklen¸ bedrohlichen Monster. Anne Rice 's Vampire sind eine Art kultige Vereinigung von übermenschlichen¸ fast göttergleichen Wesen¸ die als eine Art Richter über die Menschheit Recht sprechen. Sie sind Ankläger¸ Richter und Vollstrecker in einer Person¸ weil sie in der Lage sind¸ die Gedanken der Sterblichen zu lesen und somit Wahrheit von Lüge trennen können.
Genau wie bei "Armand der Vampir" erzählt die Vampirin Pandora dem selbsternannten Geschichtsschreiber der Vampire ihre Lebensgeschichte..Im Unterschied dazu sitzt sie in einem Straßencafe¸ wo sie von David Talbot¸ einem ungewöhnlichen Artgenossen und ehemaligen Mitglied einer Geheimsekte¸ überredet wurde¸ ihre Geschichte aufzuschreiben. Sie wendet sich direkt an David. Dabei gibt sie der Leserin und dem Leser¸ die die Vampirgeschichte nicht kennen¸ einen kurzen Einstieg¸ um sich zurechtzufinden.
Die Handlung des Romans findet im antiken Rom zur Zeit Christi Geburt statt. Die Autorin versteht es wunderbar¸ das Leben der Menschen in der Antike in allen Einzelheiten und geschichtlich untermauert nachzuerzählen. Während der Regierungszeit von Augustus im alten Rom wurde Pandora als Tochter einer alteingesessenen und gleichermassen mächtigen Familie geboren. In Marius verliebt¸ möchte sie den bereits erwachsenen und viel älteren Mann heiraten. Aufgrund seines niedrigeren Standes und seiner nicht ganz untadeligen Rufes wird es Pandora nicht gestattet. Nach der Machtergreifung durch Tiberius wird ihre Familie angezeigt und alle ihre Blutsverwandten ermordet. Pandora entkommt nach Antiochia¸ einer blühenden Stadt im Osten des Römischen Imperiums. In Antiochia kauft sie ein Haus und stellt ein paar Bedienstete ein. Sie heiratete insgesamt zweimal und verliebte sich einmal - und zwar in Marius. Hier in Antiochia trifft sie ihre alte Jugendliebe¸ Marius¸ wieder. Er verhält sich aber nicht mehr so¸ wie sie ihn in Erinnerung hat¸ er wirkt seltsam verändert...
Seit einiger Zeit plagen Pandora furchteinflößende Träume¸ in denen sie sich selbst als eine Bluttrinkerin sieht. Pandora vermutet einen Zusammenhang mit dem altägyptischen Isis-Kult. Daher sucht sie deren Tempel auf um die Träume loszuwerden. I n der Stadt lebt ein übler¸ verbrannter Bluttrinker und treibt sein Unwesen. Scheinbar schickt er Pandora die üblen Träume. Sie trifft auch den mittlerweile untoten Marius wieder. Marius bewacht Akasha und Enkil - deren Geschichte ausführlich in 'die Königin der Verdammten' erzählt wird - den Ursprung aller Vampire. Marius hat einst Akasha¸ die zur Statue erstarrt auf ihrem Thron von ihren Anhängern der Sonne ausgesetzt wurde¸ aus Ägypten gerettet. Während Akasha noch in der Sonne lag¸ verbrutzelten dabei alle anderen lebenden Vampire¸ so auch der vorgenannte üble Bluttrinker von Antiocha. Dieser erhofft sich Heilung durch ein Treffen mit Akasha¸ was Marius nicht erlaubt. Pandora¸ dem Wahn erlegen¸ Akasha sei Isis¸ dringt - verfolgt vom üblen Bluttrinker - in Marius Versteck ein¸ wo der üble sie fast niedermetzelt. Marius tötet den üblen Bluttrinker. Pandora wird von Akasha zur Untoten gemacht. Das ungleiche Liebespaar Marius und Pandora teilen lange Zeit die Unsterblichkeit¸ bis sie sich entzweien. Als Pandora ihn für einige Zeit verlässt¸ kann sie Marius nach ihrer Rückkehr nicht mehr finden. Das die Geschehnisse letztlich Vorsehung und geplant waren¸ wird beiden erst zum Ende der Erzählung bewusst. Pandora erzählt (genau wie Armand in 'Armand der Vampir') ausschweifende Geschichten über ihre ersten Jahre¸ vorrangig über ihr Leben als sterbliche Frau. Ihre Vampirgeschichte wird auf weitaus weniger Seiten abgehandelt.
Die Vampire in diesem Roman sind zutiefst romantische und empfindende Wesen mit charakterlichen Unzulänglichkeiten wie sie auch in den normal Sterblichen innewohnen. Schade ist nur¸ die Handlung beschränkt sich hauptsächlich auf die Zeit der Antike. Andere Epochen werden gar nicht oder nur kurz gestreift. Allein diese grosse Zeitspanne hätte noch mehr Raum für einen interessanten Streifzug durch die Geschichte ermöglicht. Nicht besonders angenehm empfand ich die etwas häufig auftretenden Träume. Diese teils sehr verworrenen und verwickelten Schilderungen der Seele Pandora´s häuften sich zu sehr¸ standen unnötigerweise im den Vordergrund.
Die amerikanische Anne Rice wurde bekannt mit dem Buch 'Interview mit einem Vampir'¸ das sogar erfolgreich verfilmt wurde. Der Grund für diesen in der Vergangenheit spielenden Roman ist David Talbot. Talbot selbst tritt zum ersten Mal in Anne's letzten Roman in Erscheinung und wirkt als Verfasser von Lebensgeschichten und Geschichtsforscher innerhalb der Vampirclans. Er ist es¸ der die Lebensgeschichte Pandoras hört und zu Papier bringt. Im Verlaufe des Romans wird dem Leser der Ursprung der Vampire offenbar und die beiden zentralen Handlungsträger werden als intelligente und gebildete Nachtwandler beschrieben. Ihre vorderste Aufgabe und Lebensinhalt sind nicht das Töten und Aussaugen der Sterblichen¸ sie beobachten und studieren die menschliche Entstehungsgeschichte und die Entwicklung der Zivilisation.
Wer sich für die Bücher von Anne Rice begeistert¸ wird vermutlich auch 'Pandora' gern lesen. Der Schreibstil ist nicht unbedingt einfach¸ weil die Autorin in einer blumigen Sprache schreibt und die häufig auftretenden Fremdwörter und altertümlichen Bezeichnungen stören doch ein wenig. Das Vampirthema ist von ihr bereits ausgeschlachtet und sie hat in den letzten Büchern nicht unbedingt ihren Qualitätsstandard gehalten. Spätestens mit dem dritten Teil wäre ein guter Zeitpunkt zum Aufhören gewesen. Der Roman ist nicht wirklich schlecht¸ aber mit den ersten Teilen nicht vergleichbar. Es schadet auch nicht¸ die Vorgänger zu kennen¸ weil einige Male darauf Bezug genommen wird. Nötig ist nicht wirklich¸ weil es zum Verständnis der Haupthandlung nicht gebraucht wird.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355