Trolle
Der Wald lag in den Abendstunden ruhig da. Kaum ein Tier war zu hören¸ während die letzten Strahlen der Sonne durch sein Blattwerk drangen. Mächtige¸ moosbewachsene Bäume ragten Dutzende von Schritten in die Höhe¸ und zwischen ihnen bildeten Büsche und Farne ein undurchdringliches Unterholz. Als die Hufschläge des Reitertrupps schließlich verhallten¸ kehrten auch die alltäglichen Geräusche des Forstes zurück und erinnerten Sten an die vielfältigen Gefahren¸ die sein Leben bedrohten.
Vergeblich rüttelte er an den dicken Eisenstangen seines Käfigs. Natürlich gaben sie nicht nach. Alles in allem haben meine Feinde gute Arbeit geleistet¸ ging es Sten durch den Kopf."
Sten ist Rebell¸ einer der freien Vlachkis¸ die sich der masridischen Besatzung und Eroberung widersetzen. Als der Fürst der Masriden ihn einfangen kann¸ lässt er ihn im Wald aussetzen¸ in einem stabilen Käfig. Da mag er langsam verdursten oder vielleicht frisst ihn auch ein Bär.
Doch es sind keine Bären¸ die Sten finden¸ sondern Trolle. Auch die denken zuerst ans Fressen¸ sie sind knapp an Verpflegung. Normalerweise leben sie wie die Zwerge unter der Erde und hier im Wald an der Oberfläche kennen sie sich gar nicht aus. Sie brauchen jemand¸ der sich mit Menschen und der Oberfläche auskennt¸ weiß der Führer der Trolle Druan. Also nehmen sie Sten samt Käfig kurzerhand mit.
Keine angenehme Gesellschaft¸ in die Sten da geraten ist. Denn Trolle sind Menschenfresser und Druans Kollegen sind alles andere als begeistert¸ sich diesen Happen entgehen zu lassen. Nur mit Mühe kann Druan seine Gefolgstrolle in Zaum halten. Auch sonst haben die riesigen Monster einige sehr unappetitliche Eigenschaften. Doch sie brauchen Sten¸ denn die Zwerge haben Magie gewonnen und wollen diese¸ nutzen um die Trolle auszurotten. So bildet sich eine Zweckgemeinschaft¸ denn auch Sten und die Rebellen können jede Hilfe brauchen¸ die sie bekommen können. Zunächst scheint es nicht so¸ als ob die Gemeinschaft lange halten würde¸ immer wieder erinnern sich die Trolle an ihren Appetit¸ immer wieder möchten Sten und die Rebellen sich dieser menschenfressenden Ungeheuer entledigen und ihnen am Tag¸ wenn Trolle in Schlaf fallen¸ die Kehle durchschneiden. Um so erstaunlicher¸ wie sich dennoch zwischen Rebellen und Trollen eine Kampfgemeinschaft zu entwickeln beginnt. Doch wie lange wird sie halten?
Nach den Feen¸ den Orks¸ den Zwergen wieder jemand¸ der Tolkien ausweidet und uns immer die gleichen Geschichten auf dem gleichen Hintergrund erzählt? Wieder ein Beweis mehr¸ dass Heyne und andere Verlage grundsätzlich nichts Neues verlegen¸ erwachsene Fantasy-Leser nichts mehr fürchten als Phantasie?
Weit gefehlt. Die Trolle haben neben den gewohnten Eigenschaften - sie werden unbeweglich¸ scheinbar tot¸ wenn sie die Sonne trifft - einige unübliche. Sie mögen nicht das sein¸ was wir uns als Nachbarn wünschen¸ aber jeder von ihnen hat eine eigene Persönlichkeit. Da ist Druan¸ gewitzt¸ klug und die geborene Führerpersönlichkeit; Roch¸ der unbedingt schreiben lernen möchte¸ Laut malen¸ nennt er es; Pard¸ der glaubt¸ alle Probleme ließen sich durch Gewalt lösen. Bald fällt es schwer zu entscheiden¸ ob sie nun zu den "Guten" oder den "Bösen" gehören. Das gilt durch die Bank auch für die anderen Personen und Völker. Statt Tolkiens Schwarz-Weiß gibt Hardebusch der Geschichte die Farbe zurück.
Auch das Umfeld erinnert zwar an Tolkien¸ wird aber um zahlreiche andere Elemente erweitert. Nicht mehr die keltisch-altenglische Mythenwelt herrscht vor¸ "die Trolle" erfreuen uns mit einem neuem Ambiente. Schon die Namen klingen ganz anders¸ sind dem Rumänischen entlehnt¸ das Land "Vlachki" hat viele Ähnlichkeit mit Siebenbürgen und auch der Gruß "Sichere Wege" entstammt dem Rumänischen "drum bun" (guter Weg). Warum zum Teufel müssen alle anderen Fantasy-Autoren sich immer nur an der einen bekannten¸ ausgelutschten Welt und den keltischen Mythen orientieren¸ fragt man sich nach der Lektüre.
Obendrein erfreut uns der Autor immer wieder durch überraschende Wendungen. So ist das Buch ein wundervolles Beispiel¸ das man alte Geschichten auch einmal neue Richtungen geben kann.
Leider gibt es im Roman aber auch Stellen¸ da verlässt den Autor sein Sinn für Spannungsaufbau und -bogen. So etwa zwischen den Seiten 80-150 hätte ich ihn beinahe beiseite gelegt. Immer wieder wurde ich aus der Geschichte geworfen.
Warum? Weil zuviel erklärt und behauptet wurde. Keine Szene¸ die nicht vom Autor nochmals erläutert wurde; wenn jemand einen Witz machte¸ steht anschließend die Bemerkung "Damit wollte er XXX necken" und als sich eine Liebesgeschichte anbahnt¸ lässt uns der Autor das nicht erleben¸ sondern kommentiert die Gefühle der Beteiligten derart¸ dass er sämtliche Spannung beseitigt. Zur Ehrenrettung sei gesagt¸ dass später die Gefühle weit glaubhafter in Szene gesetzt werden¸ statt dass der Autor sie einfach behauptet. Sobald Hardebusch sich wieder auf die eigene Geschichte besinnt¸ die eigenen Figuren marschieren lässt¸ die eingefahrenen Pfade verlässt¸ gewinnt seine Geschichte wieder Fahrt.
Fazit:
Sieht man von einigen Stellen ab¸ in denen zuviel erklärt wird¸ ist das Buch rundum gelungene Unterhaltung¸ spannend¸ mit lebenden Personen - merke: auch Trolle sind bloß Menschen! - und einem faszinierenden¸ ganz eigenem Hintergrund. Ein Beispiel¸ dass es sich auch in der Fantasy lohnt¸ die alten Geschichten auf neue Weise zu erzählen.
Leseprobe: http://www.randomhouse.de/content/edition/excerpts/351_53237_4088.pdf
Homepage des Autors: http://www.hardebusch.net
Über den Autor:
Christoph Hardebusch wurde 1974 in Lüdenscheid (Sauerland) geboren¸ leistete nach dem Abitur Zivildienst in einem kleinen Krankenhaus zwischen Patienten¸ die Alkohol- und Drogenentzug machten neben solchen mit Krebs und anderen¸ schweren Krankheiten. In Marburg studierte er BWL¸ stellte aber fest¸ dass ihm dieses Fach gar nicht lag. Er wechselte zu Anglistik¸ Germanistik und Geschichte. Später wurde er freier Texter in Mannheim.
Geschrieben hatte er schon immer¸ 2005 wurde aus dem Hobby ein Beruf¸ als er ein schon lange geplantes¸ aber eigentlich für den privaten Gebrauch gedachtes Romanprojekt für einen Verlag umsetzte. Daraus entstanden die Trolle.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de