Transmetropolitan 5
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Autor Warren Ellis und Zeichner Darick Robertson lassen ihren Helden Spider Jerusalem weiterhin in der Stadt agieren. Die Schicksalsschläge treffen den Aufdeckungsjournalisten allerding hart¸ denn er ist mit seinem Job auch seine Wohnung losgeworden. Damit ist er nur einer unter vielen Obdachlosen¸ die auf der Strasse dahinvegetieren und über die er vorher engagiert berichtete¸ einen Kampf gegen die Gleichgültigkeit der Massen¸ Machtmissbrauch durch korrupte Beamte¸ soziale Missstände und skrupellose Ausbeutung durch Konzerne in seiner Kolumne aufnahm. Der nächste Schicksalsschlag ist¸ dass er an einer unheilbaren¸ degenerativen neurologischen Hirn-Infektion leidet. Da er noch sein abgeschieden gelegenes Haus in den Bergen hat¸ wie damals in der Fernsehserie Der Mann in den Bergen ¸ zieht er sich mit den beiden Aissistentinnen Channon Yarrow und Yelena Rossini dorthin zurück. Doch bis es dazu kommt¸ kämpft er weiter seinen Kampf.
Der einsame Held der schreibenden Zunft¸ der mit seinem Blog mit dem Titel "Ich hasse diese Stadt" Millionen erreicht und doch nur wenige bis keine Veränderungen erzielt¸ steht im Mittelpunkt. Gut¸ der Präsident wurde abgewählt¸ aber sein faschistoider Nachfolger ist auch nicht besser. Man kann den Teufel (Das Monster genannt nicht durch den Beelzebub (Der Smiler austreiben. Die namenlose Stadt¸ in der Spider lebt¸ liegt ihm sehr am Herzen¸ vor allem seine seltsamen Bewohner. Slumbewohner¸ drogenabhängig oder mit ausserirdischer DNA verändert¸ oder beides¸ seltsame Religionen und soziale Strukturen¸ typisch Dystopie¸ typisch Cyberpunk¸ wie er in den 1980er Jahren modern war. Andere Dinge kommen noch hinzu. Ganz zu Beginn lernten wir seine drogensüchtige Alleskönnermaschine kennen oder gar intelligente Polizeihunde (die an das Rollenspiel RIFTS erinnern. Ebenso grotesk geht es in den weiteren Abenteuern des einzig wahren¸ unabhängigen und nicht korrumpierbaren Journalisten. Spider fand die Spur der Korruption¸ die der abgewählte Präsident hinterlassen hat. Und weil die Wahrheit auf seiner Seite ist und er nichts mehr zu verlieren hat geht er rigoros der Spur nach.
Die düstere Vision einer erschreckenden Zukunft¸ die Autor Warren Ellis und Darick Robertson in ihrer Kult-Graphic Novel zum Leben erweckten. Ist nun endlich in allen Heften auf deutsch und gesammelt in fünf Bänden zu haben. Die hohe Qualität der Alben¸ ja man muss schon sagen Bücher¸ überzeugt und im Regal wirken sie durchaus als Blickfang. Dies verleitet dazu¸ die Bände mehr als nur einmal in die Hand zu nehmen. Letzteres halte ich durchaus für wichtig¸ denn in den Bildern versteckt der Zeichner immer wieder Hinweise auf Episoden¸ die kommen oder später zu Episoden¸ die bereits vergangen sind. Der Transmetropolitan-Zeichner Darick Robertson ist mir mit seinen bisherigen Arbeiten nicht besonders aufgefaallen. Er ist ein Zeichner¸ der als solider Durchschnitt gelten kann. Doch wie heisst es so schön¸ der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. In Verbindung mit dem hintergründigen Autor gelingt es ihm¸ aus der Welt des Spider Jerusalem ein eigenes Universum zu bauen. Strich für Strich erwächst so eine bizarre Welt. Für Transmetropolitan (Trans = jenseits¸ hinüber. Metropole = (altgriechisch¸ wörtlich „Mutterstadt“ ist eine Grossstadt¸ die einen politischen¸ sozialen¸ kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt eines Landes bildet haben Autor und Zeichner tief in die Trickkiste gegriffen und Verschwörungstheorien¸ Krimi¸ Science Fiction und einiges anderes mehr bunt gemischt. Für die Bilder von Transmetropolitan konnte nun Darick Robertson¸ die Mittelmässigkeit seines bisherigen Schaffens hinter sich lassen. Mit viel Witz und Anspielungen schafft er es¸ die Welt von Warren Ellis nicht nur zu zeigen¸ sondern in den Einzelheiten regelrecht aufleben zu lassen. Und damit bin ich wieder bei meiner Aussage¸ die Bücher verleiten dazu¸ sie ein zweites und drittes Mal in die Hand zu nehmen. Bei jedem weiteren Lesen entdeckt man Hinweise und Verweise¸ die einfach Spass machen. Und wenn man einfach nur ein Plakat an der Hauswand betrachtet. Ich bediene natürlich ein Klischee¸ wenn ich schreibe¸ dass ich eine solche Gesellschaftskritik und politischen Opportunismus unter Bill Clinton in Amerika nicht erwartete. Auch wenn Clinton sich auf die Fahne schrieb¸ gegen Drogenhandel¸ -konsum- und -missbrauch einzustehen¸ war die Politik doch eine andere. Mit düsterem Sarkasmus und schonungsloser Offenheit erzählen die beiden Künstler von einer logisch unabwendbaren Zukunft. Keiner möchte darin leben aber jeder arbeitet daran¸ die gezeigte Gesellschaft zu erreichen. Die beiden Künstler halten den Menschen einen Spiegel vor¸ der zum Nachdenken reizt. Journalismus ist George Orwell zufolge¸ etwas zu drucken¸ was jemand nicht gedruckt sehen will. Alles andere ist public relations. Und dies trifft hier auf den Comic als Spiegel der sozialen Strukturen direkt zu.
Die Geschichte ist ein Meilenstein der Comic-Kunst und Panini Comics präsentiert die kompletten Abenteuer des Journalisten Spider Jerusalem in fünf dicken Prachtbänden. Das neue Konzept¸ hin zu grösseren Bänden¸ stabilen Hardcovern¸ geht auf und mit ihrer neuen Graphik-Reihe mausert sich der Verlag zu einem wichtigen Anbieter von Comics in Deutschland. Nachteil¸ auch hier sind es hauptsächlich europäische Lizenzen. Ich würde gern mehr aus Deutschland und anderen Kontinenten sehen. Aber dazu müssen andere Leser mitziehen¸ denn es ist letztlich nur eine Frage des Kommerz. Man will Geld verdienen¸ denn die Künstler wollen¸ wie alle anderen auf dem Herstellungsweg eines Comics bezahlt werden. Gewinne müssen erzielt werden¸ damit „Flops“ nicht zum Untergang einer Firma führen.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355