Tod in Neverland
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Gemeinsam mit Josh Cavey¸ ihrem Kameramann und Assistenten¸ betätigt sie sich äusserst kreativ. Sie stellt filmische Portraits von Menschen her¸ die ihr Leben weiterhin positiv betrachten¸ obwohl sie ein einschneidendes schlechtes Erlebnis hinter sich haben. Zurzeit arbeitet sie mit Nelly Worthridge¸ einer alten Dame im Rollstuhl¸ die ihre Beine¸ aber nicht den Lebenswillen verlor.
Als Kelly nachhause kommt¸ erwartet sie auf ihrem Anrufbeantworter eine schlimme Nachricht. Ihre fünfzehnjährige Schwester wurde schwer verletzt im dichten Wald gefunden und liegt seither im Koma. Ein Unbekannter hatte sich an sie heran gemacht und einfach liegen gelassen. Verständlicherweise sind die Eltern verstört und Panik um den vielleicht bevorstehenden Tod ihre Tochter macht sich breit. Während sich Kelly auf die Reise in den abgelegenen Ort Spires macht¸ erleidet Nelly Worthridge einen Schlaganfall. Josh kümmert sich um Nelly¸ die langsam aber sicher Gaben entwickelt¸ die übersinnlicher Natur zu sein scheinen. Unter anderem erfährt der diensthabende Krankenhausarzt Mendes am Krankenhausbett der alten Dame eine Voraussage¸ die seinen ungeborenen Sohn betrifft.
Die Rückkehr nach Spires ist nicht nur eine Heimkehr aufs elterliche Anwesen¸ sondern eine Reise in ihre eigene Vergangenheit¸ vor der sie sich in New York versteckte. Auf der Fahrt nach Spires fühlt sich Kelly immer unwohler und muss an ihr gefühlskaltes Elternhaus denken. Langsam kehren Erinnerungen zurück und ihr wird wieder klar¸ warum sie damals ihren Geburtsort überstürzt verlies. Herzlose Eltern¸ die mit ihrer Gefühlskälte in dem Mädchen einen Gefühlsstau auslösten. Mit fünfzehn steckten ihre Eltern sie in eine Nervenheilanstalt. Drei Jahre¸ in der sie keinen Kontakt zu ihren Familienangehörigen hatte¸ lebte sie dort. Warum¸ kann sie nicht mehr sagen¸ das Ereignis hat sie vollständig verdrängt. Dennoch ist es seltsam¸ dass ihrer Schwester im gleichen Alter etwas sehr beunruhigendes geschieht. Langsam kehren die Erinnerungen zurück. Bedrückende Erinnerungen. Zuhause angekommen erfährt sie¸ nicht nur ihre Schwester wurde angegriffen¸ sondern auch weitere Menschen gelten im unheimlichen Forst als vermisst. Kelly muss sich ihren Schrecken und dem gefährlichen Ort stellen.
Ronald Malfi belässt es aber nicht bei einem Handlungsstrang. Die eingangs erwähnten Personen¸ Josh Cavey¸ Dr. Mendes und vor allem die alte Frau Nelly Worthridge¸ bleiben nicht nur die Erwähnung. Im Gegenteil¸ gerade die Verbindung zwischen Kelly und Nelly wird wegweisend. Verzerrte Bilder der von Nelly Worthridge gemachten Filmaufnahmen¸ über deren Weissagungen¸ bis zu erschütternden Ereignissen¸ grauenhaften Begegnungen¸ beschreibt Ronald Malfi hier eine ergänzende Geschichte.
Es ist schon beeindruckend&¸ wie Ronald Malfi einen schaurigen Mystery Thriller erschuf¸ einen beeindruckenden Horror-Roman¸ der durchaus das Zeug hat¸ den nächsten Vincent-Preis zu erhalten. Der Roman liest sich frisch und leicht¸ lässt den Leser gern der Erzählung folgen. Sie beginnt recht beschaulich¸ noch ohne Besonderheiten. Jedoch mit jedem weiteren Satz¸ der geschrieben wurde¸ lockte Ronald Malfi den Leser in eine düstere Welt. Ab einem bestimmten Punkt kann der Leser nicht mehr entscheiden¸ ob hier Wirklichkeit oder Phantasie¸ Einzug in die Erzählung halten. Zudem besticht der Roman stilistisch und atmosphärisch. Er benutzt die Versatzstücke¸ die in jedem Horror-Roman vorkommen. Die dunkle¸ unbekannte Macht¸ ob Bestie oder unheimliche Person¸ der dunkle Wald¸ ein verfluchtes Haus¸ Menschen mit besonderen Gaben und natürlich normale Menschen als Opfer. Alles findet sich auch in Tod in Neverland. Wie in jedem guten Horror-Roman geht es vorwiegend um Gefühle und Gedanken. Ängste und Phobien stehen im Vordergrund¸ dem die Einsamkeit folgt und die Gedanken und Erinnerungen daran. Meist ist jedoch so¸ dass die ausgemalte Angst¸ wie sie bei Howard Philip Lovecraft und Edgar Allan Poe geschickt beschrieben werden¸ furchtbarer ist¸ als die Situation selbst. Ronald Malfi gelingt dieser Spagat in seiner Erzählung hervorragend. Ein weiterer Pluspunkt des Autors ist seine Beschreibung der handelnden Figuren. Desgleichen gilt für die mysteriöse Geschichte an sich¸ sowie dem elterlichen Anwesen und in besonderem Mass dem Herzen des Waldes. Der Autor formulierte ein spannendes Abenteuer¸ mit schaurigen Schauplätzen. Tod in Neverland besticht durch eine selten gelesene Kraft und Eindringlichkeit¸ setzt nicht auf subtilen Horror¸ sondern schleicht sich mit düsteren aufwühlenden Bildern in die Gedanken der Leser. Autor und Roman bereichern die Horror-Szene ungemein. Ein würdiger Nachfolger von Howard Philip Lovecraft und Edgar Allan Poe.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355