Tintentod
"Ein Dutzend ärmlicher Hütten¸ ein paar karge¸ steinige Felder und eine Mauer¸ die kaum ein Kind fernhalten konnte¸ geschweige denn einen Soldaten - das war alles. Ein Dorf wie viele andere. Dreißig Frauen¸ männerlos¸ und drei Dutzend vaterloser Kinder. Im Nachbardorf hatten die Soldaten des neuen Statthalters sich vor zwei Tagen fast die gesamte Ernte geholt. Dort waren sie zu spät gekommen. Doch hier war noch etwas zu retten. Seit Stunden gruben sie¸ zeigten den Frauen¸ wie man Tiere und Vorräte unter der Erde versteckte."
Es steht nicht gut um Ombra. Seit Fenoglio den Cosimo den Schönen wieder herbeigeschrieben hat und der mit allen Männern im Feldzug gegen den Natternkopf umgekommen ist¸ herrscht der Natternkopf auch über Ombra. Und plündert es aus. Der schwarze Prinz¸ der Eichelhäher und ihre Bande sind die einzigen¸ die noch Widerstand leisten. Doch viel können sie nicht ausrichten.
Fenoglio schreibt nicht mehr seit der Pleite mit Cosimo. Dafür ist Orpheus jetzt da und er schreibt um so mehr. Für sich die größten Schätze¸ die Farid für ihn ausgraben muss und für den Hänfling¸ den Statthalter des Natternkopfs¸ immer exotischere Jagdbeute. Neulich hat er ihm sogar eine Jagd auf ein Einhorn herbeigeschrieben.
Doch mit dem Herbeischreiben ist es so eine Sache. Zwar kann¸ wer es kann¸ Geschichten und Figuren lebendig werden lassen in dieser Tintenwelt¸ doch immer öfter zeigt sich¸ dass diese bald eigenes Leben und Willen entwickeln und nicht immer tun¸ was geplant war. Geschichten lassen sich nicht steuern wie Autos. Und selbst Riesen¸ herbeigeschrieben¸ um nützlich zu sein¸ können bald ungeahnte Folgen haben ...
Wieder erleben wir die Tintenwelt¸ in der Worte so eine ganz eigene Magie haben¸ in dem einige wenige durch die Macht ihrer Stimme den Fortgang der Geschichte bestimmen können. Wieder herrscht Terror des Natternkopfs¸ Brutalität und Krieg und selbst Zauberzunge¸ der gütige Buchbinder¸ findet Gefallen am Töten und schlüpft in die Rolle¸ die ihm Fenoglio zugeschrieben hat.
Wieder weiß Cornelia Funke ihre Worte zu setzen¸ mit einer poetischen¸ bildgewaltigen Sprache malt sie ihre Welt aus¸ überrascht uns - und die¸ die dort die Worte beherrschen - durch immer neue überraschende Wendungen¸ zieht uns in ihre Welt¸ ihre Geschichte hinein. Spannend bis zur letzten Seite¸ kein Wort zuviel¸ keins zuwenig und eigentlich kann man der Autorin nur eins vorwerfen: Das auch ihre Geschichte nach über siebenhundert Seiten einmal zu Ende geht. Tintentod ist meiner Meinung nach das beste Buch der Tintenwelt-Triologie.
Dass der Verlag diesen Band mit der riesigen Auflage von 500.000 starten lässt¸ verwundert kaum. Er wird jedes Exemplar davon verkaufen.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de