Tintenblut
Die Jagd nach Wörtern geht weiter
"'Wenn etwas die Kerkertüren der Nachtburg öffnen kann¸ dann die Worte in diesem Brief - und Meggies Zunge. Sie kann Tinte zum Atmen bringen¸ Roxane¸ so wie du es mit deinem Lied vermagst.' [...]
'Du sprichst von Zauberei!'¸ flüsterte sie.
'Nein¸ ich spreche vom Vorlesen.'"
Eigentlich war die Geschichte ja zu Ende. Capricorn war tot¸ Meggies Mutter zurückgekehrt aus dem Buch "Tintenherz" und die Leser klappten mit einem Seufzer - Schade¸ dass es zu Ende ist - das Buch zu.
Doch die Figuren waren anderer Meinung. Allen voran Staubfinger¸ der unbedingt zurück wollte¸ zu Roxane¸ seiner Geliebten¸ in die weglosen Wälder mit ihren Feen und Nixen¸ der die Spielleute und den schwarzen Prinzen wiedersehen wollte.
So beauftragt er Orpheus¸ ihn zurückzulesen. Und der schafft das auch. Was Staubfinger nicht weiß: Orpheus liest auch Staubfingers Todfeind Basta und Mortola¸ die den Tod ihres Sohnes Capricorn rächen will¸ zurück. Jemand muss den Feuertänzer warnen. Meggie liest nicht nur Farid¸ sondern auch sich selbst in diese fremde Welt¸ von der ihr ihre Mutter so oft erzählt hat.
Sie ist farbenprächtig¸ die Welt des Tintenherzen¸ doch friedlich ist sie nicht. Was in vielen Büchern als buntes Mittelalter erscheint¸ als spannendes Fantasy-Abenteuer¸ das entpuppt sich hier oft als Alptraum. Cornelia Funke erzählt die Faszination¸ aber auch die dunklen Seiten. Die Lieder der Spielleute¸ die jeder totschlagen darf; die Bauern¸ die Cosimo dem Schönen folgen¸ der gegen das Böse auszieht und für den so viele sterben; der Natternkopf¸ der sich ein Buch erkauft¸ das ihn unsterblich macht¸ es scheint als gingen der Autorin nie die Ideen aus.
Dabei erzählt sie langsam¸ malt die Szenen ruhig aus - für manchen Leser¸ der Action gewohnt ist¸ sicher zu ruhig -¸ verliert sich sogar an ein paar Stellen in ihrer eigenen Liebe zu den Worten und der Literatur¸ weiß aber den Leser zu fesseln¸ wie kaum eine andere Autorin in Deutschland. Fast scheint es¸ als ob die Kinderbücher die einzigen sind¸ die noch eine eigene Stimme pflegen¸ während die Erwachsenenliteratur längst im 08/15 der Weltverschwörungs-Thriller und Herrn der Ringe Klone versunken ist. Kein Wunder¸ dass Spiegel und Co sich weigern¸ Tintenblut auf die Bestsellerlisten zu erwähnen. Schon beim Zauberlehrling Harry Potter hörte man das bittere Zähneknirschen der Kulturredakteure.
Eigentlich ist das kein Kinderbuch¸ aber ein Buch¸ das auch Kinder mit Begeisterung lesen werden. Doch hat nicht schon Astrid Lindgren bewiesen¸ dass die besten Kinderbücher auch Bücher für Erwachsene sind?
Fazit:
Farbenprächtiges und düster erzählt Funke ein neues Abenteuer um Meggie und Mo und all den anderen Figuren aus dem "Tintenherz". Gleichermaßen ein spannendes Märchen und ein phantastisches Abenteuer¸ Lesevergnügen pur eben.
Leseprobe / Homepage der Autorin: http://cornelia-funke.de/
Über die Autorin:
Cornelia Funke wuchs in Dorsten auf¸ studierte Pädogogik und Buchillustration¸ arbeitete auf einem Bauspielplatz in Hamburg und illustrierte Kinderbücher. Obwohl sie schon als Teenager ihren Geschwistern Geschichten erzählte¸ fing sie erst mit 35 an¸ auch selbst welche zu schreiben.
"Die wilden Hühner"¸ "Drachenreiter"¸ "Herr der Diebe" und vor allem "Tintenherz" begründeten ihren Ruhm¸ ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und selbst in den USA zum Bestseller. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen¸ einige werden verfilmt und für das Theater adaptiert.
Sie wohnte mit Mann und Kindern lange in der Nähe von Hamburg¸ bis sie 2005 nach Kalifornien umzog.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de