Talivan
Der vorliegende Geschichtenband umfasst 15 Fantasy-Kurzgeschichten aus der Feder von Andrea Tillmanns. Die erste Story »Talivan« erzählt von der Suche einer jungen Frau nach ihrer Vergangenheit. Dabei trifft sie auf einen geheimnisvollen Mann¸ der sein Schwert nicht aus der Hand legt¸ doch Sinja weiß aus ihren Träumen¸ dass auch sie ein Anrecht auf dieses Schwert hat. Nur warum¸ das erfährt sie erst zusammen mit dem Leser.
In »Schwestern« geht es um alte Traditionen¸ die besagen¸ dass eine Zauberschwester und eine Schwertschwester immer nur zu zweit unterwegs sind. Doch dann erscheint eine stumme dritte Frau auf der Bildfläche¸ und Schwert- sowie Zauberschwester werden eines Anderen belehrt. Die nächste Geschichte »Entscheidungen« erzählt wieder von einer Schwertkämpferin¸ die allerdings seit einiger Zeit als Magd arbeiten muss¸ da sie die Frucht einer Liebesnacht unter ihrem Herzen trägt. Sie hadert mit ihrem Schicksal¸ bis gewisse Entscheidungen getroffen werden müssen und diese ihren Blick für die Realität wieder öffnen.
»Unglücksbote« wird eine Rabenkrähe genannt¸ die erst zur Begleiterin und dann zur Beschützerin einer jungen Frau wird¸ die sich des Diebstahls schuldig gemacht hat. Wem der seltsame Vogel letztendlich Unglück bringt¸ erfährt der Leser am Ende der Geschichte.
»In den Straßen Alkyons« erinnert an ein Verwirrspiel¸ in dem ein Leibwächter auf eine falsche Spur geführt wird.
»Die Frucht des Muarte-Baumes« erzählt vom Glauben an die eigene Stärke. Die Frucht dient nur als Katalysator¸ doch das ahnt Estven¸ der Held der Geschichte zunächst nicht. Genauso wenig wie die Elfe in »Die Legende der Elfe vom See« nicht ahnt¸ dass Geschichten von der Legendenweberin viel Wahres enthalten.
In »Neulich im Zauber-Schnupperkurs« weiß die Kaufmannstochter dafür ganz genau¸ dass sie für die Zauberei nur wenig Begabung mitbringt und »Lirinas Garten« erinnert zunächst an einen ganz gewöhnlichen Garten¸ wenn da nicht diese besonderen Insekten wären …
»Lung-Jiaos Geschichte« erzählt eine kurze Episode aus dem Leben eines Sumpfdrachen und »Zwischen den Welten« erklärt¸ dass nicht immer alles so ist¸ wie es auf den ersten Blick scheint. So auch der Buckel von Frano¸ den sich der Junge aus lauter Verzweiflung abschneiden möchte. Doch da kommt in letzter Sekunde die Rettung.
»Wenn die Eiswölfe singen« dann hat Malina ihre Finger im Spiel¸ die mit einem simplen Trick eine Übermacht von Soldaten in die Flucht schlägt.
»Warum man Dichtern nicht alles glauben sollte«¸ darüber berichtet gleichnamige Geschichte¸ die ein wenig an Jules Verne in seiner Zeit erinnert. Allerdings weiß sich dieser Geschichtenerzähler nach Manier von »Des Kaisers neue Kleider« sehr gut zu helfen.
Marjana¸ die Heldin aus der Geschichte »Im See« erfährt endlich¸ warum sie sich zu dem namenlosen See hingezogen fühlt und zu guter Letzt begleiten wir in »Fionas Weg« eine Frau auf der Suche nach ihrer Bestimmung.
Wie aus den Beschreibungen hervorgeht¸ hat die Autorin hier 15 verschiedene Themen verarbeitet¸ weshalb der Kurzgeschichtenband nicht langweilig wird und gut zu unterhalten weiß. Doch als Leser bemerkte ich sehr schnell die qualitativen Unterschiede der Geschichten. Mit der Länge einer Geschichte nahm auch die inhaltliche Qualität zu¸ sodass ich manchmal den Eindruck bekam¸ nur ein Kurzgeschichtenfragment gelesen zu haben. Insbesondere bei »In den Straßen Alkyons« hatte ich das Gefühl¸ um einige wichtige Informationen betrogen worden zu sein¸ besonders deshalb¸ weil die Geschichte in einer eigens dafür geschaffenen Welt spielt. Leider hat sich vom Wesen der Welt nicht viel offenbart. Lediglich in »Talivan« spürte ich ein gewisses Umfeld¸ welches für die Geschichte erschaffen wurde¸ doch das war für meinen Geschmack verschenktes Potenzial. Denn gerade aus der Idee und aus der geschaffenen Welt hätte man wesentlich mehr machen können. Zu schnell wurde mir das Geheimnis von Egodow¸ dem Träger des Schwertes¸ offenbart¸ zu einfach war die Auflösung des Konfliktes¸ als dass sich der Handlungsbogen voll entfalten konnte. Gerade für diese Geschichte fand ich den kurzen Umfang der Geschichte viel zu gering.
Doch eines gelang der Autorin dafür in fast allen ihren Geschichten¸ sie beendete sie immer mit einer Pointe. Manchmal etwas schulmeisterhaft¸ dann sah ich in Gedanken den erhobenen Zeigefinger vor mir¸ so z.B. bei »Lirinas Garten«¸ dann wiederum bedient sich Andrea Tillmanns auch klassischer Elemente wie in »Zwischen den Welten«¸ denn das Geheimnis um Franos Buckel überrascht nicht wirklich¸ gibt der Geschichte aber einen stimmigen Abschluss.
Der humorvolle Ansatz in »Neulich im Zauber-Schnupperkurs« erinnerte an bestimmte Szenen eines gewissen Zauberlehrlings¸ ja¸ der mit der Zackennarbe auf der Stirn¸ doch irgendwie sprang der Funke bei mir nicht über. So konnte ich auch der Geschichte von Lung-Jiao nicht viel abgewinnen¸ die Episode im Leben des Sumpfdrachen hat weder etwas bewirkt noch geändert.
Dafür weiß ich nun aber¸ warum ich Dichtern nicht mehr alles glaube¸ eine Geschichte¸ deren Kombination aus »Jules Verne« und »Des Kaisers neue Kleider« sich mir nach dem Lesen aufdrängte und die ich ziemlich genial fand.
Alles in allem ist »Talivan« ein unterhaltsamer Kurzgeschichtenband¸ der wegen seiner Vielfältigkeit und einer ausgewogenen Sprache zu bestechen weiß. Mir haben viele der Geschichten sehr gut gefallen¸ andere nicht¸ bei anderen Lesern wird das Verhältnis sicher anders sein. Doch genau das macht den Reiz einer Kurzgeschichtensammlung aus¸ man weiß nie¸ was als nächstes kommt und wird immer wieder überrascht.
Eine Rezension von: Anke Brandt http://www.geisterspiegel.de