SYNDIC 1: Geheimprojekt Exodus
Inhaltlich wird einiges versprochen: "... kompromißlose Science Fiction ohne Zeitgeistheuchelei¸ wie sie heute nur noch selten geschrieben wird." - Große Worte¸ doch schon auf der Titelseite drängt sich mir eine andere Deutung dieser Ankündigung auf¸ als die Macher vermutlich im Auge gehabt hatten. "Kompromißlose Science Fiction"¸ nun¸ das mag sein¸ ist aber heutzutage sicher kein Ausdruck von Qualität mehr. Das Ergebnis ist dem entsprechend auch ernüchternd: Selbst der schlechteste B-Heuler ist kompromißloser als die altbackene Action-SF¸ die sich dem Leser beim Weiterlesen auftut.
Was die Formulierung "ohne Zeitgeistheuchelei" angeht¸ kann man diese getrost als Griff ins WC betrachten¸ denn Eines ist eindeutig: SYNDIC orientiert sich sehr stark an us-amerikanischen Vorbildern¸ die zu vertreten sicher nicht unter diese selbstgestellte Anforderung fällt. Außerdem geht der Zeitgeist durchaus in Richtung Endzeit¸ was die Serie noch weniger innovativ macht. Mich würde sehr interessieren¸ von was sich die Serie bitteschön abheben soll.
Auch an sonstigen Klischees wird nicht gespart: Der Held der Serie ist Morton Conroy¸ ein Ex-Sträfling (Das hatten wir ja auch noch gar nicht ...) und auch Ex-Soldat (Natürlich ...). Erwähnte ich schon¸ daß er ein ganz harter Knochen ist? - Ist er¸ und damit der richtige Mann für das neue und titelgebende Spezialkommando S.Y.N.D.I.C.. Dieses Kommando hat nun die löbliche Aufgabe¸ in einer Welt nach dem Zusammenbruch der Weltwirtschaft und der Herrschaft von Kriegsherren und Kartellen (Klar¸ gerade die sind nach Wirtschaftskrisen immer massiv auf Zack ...) das Licht der Zivilisation hochzuhalten. Dieses geht selbstverständlich von den "Free Staates of America" (Die "Staates" sind kein Schreibfehler meinerseits¸ ich zitiere wörtlich ...) aus¸ was uns spontan wieder zur angeblich abwesenden Zeitgeistheuchelei bringt.
Auch mit der Logik tut sich die Serie etwas schwer¸ wie ja bereits die Kartellherrschaft nach der Wirtschaftskrise beweist. Doch nicht nur das¸ da wird mal eben ein Gefängnis auf dem Mond errichtet¸ was ja eine überaus ökonomische Lösung ist¸ bedenkt man die Kosten¸ die es verursacht¸ nur einen medizinballgroßen Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Andererseits hat der Gedanke etwas durchaus Verführerisches¸ da auch in mir zeitweise das Bedürfnis wächst¸ gewisse Leute auf den Mond zu schießen.
Möglicherweise in dem Bewußtsein¸ thematisch vielleicht doch auf dem falschen Dampfer zu sein¸ hat ein Profi wie Conrad Shepherd natürlich eine Lösung in Form von Zitaten bereit¸ von denen jeweils eines den Kopf jedes Kapitels ziert und den inhaltlichen Anspruch ungemein erhöht. Ich kann mir auch vorstellen¸ daß er das Tao zuerst zitiert¸ um in geschickter Weise davon abzulenken¸ daß Rußland und China als Gegenspieler¸ auch wenn er netterweise und fiktiv-politisch Europa beifügt¸ ein Überbleibsel des Kalten Krieges sein dürften. Wenn mit Vermeidung von Zeitgeistheuchelei gemeint sein sollte¸ daß die politischen Veränderungen der letzten Jahre mal eben unter den Tisch gekehrt werden¸ dann heuchele ich für meinen Teil lieber noch ein bißchen weiter. Damit es allerdings nicht zu kompliziert wird¸ wird aus dem Nahen Osten und Nordafrika mal eben eine radioaktive Wüste gemacht; der Rest von Afrika scheint ohnehin zu vernachlässigen zu sein.
Der aufmerksame Leser glaubt nun möglicherweise¸ im stilistischen Bereich Satisfaktion zu erlangen und die ersten Zeilen deuten durchaus darauf hin¸ man gewinnt sofort den Eindruck¸ daß hier jemand am Schreiben war¸ der dieses Handwerk gründlich gelernt hat. Leider endet dieser Eindruck bereits bei den ersten tiefgründigen Dialogen¸ die sich auf dem Niveau einer schlechteren Vorabendserie bewegen. Auch inhaltlich tun sich Abgründe auf: So wird offenkundig jemand mit großem Aufwand betäubt und entführt¸ um kurz nach dem Erwachen in mysteriöser Umgebung von einem Söldner getötet zu werden ... Eine überaus durchdachte Handlungsweise¸ auch wenn der Eine oder Andere sicher überzeugt ist¸ daß man das auch weniger umständlich hätte haben können. Der Söldner ist übrigens eine genetische Züchtung (Siehe "ohne Zeitgeistheuchelei ...)¸ ein sogenannter Hybrid¸ wobei offen bleibt: Ein Hybrid aus was? Biologische Aspekte scheinen ohnehin nicht die Stärke der Serie zu sein¸ gönnt sie sich doch auch Charaktere¸ die nach einem Tritt in den Solarplexus noch kreuchen können.
Damit der Leser nicht vergißt¸ daß er sich in einer SF-Serie und nicht in einer Agentenparodie befindet¸ wird durch dezente Hinweise wie "futuristische Kuppel" und dem exzessiven Gebrauch von SciFi-Schlagwörtern wie z.B. "Shuttleport" daran erinnert. Überhaupt wird technisch gar heftig vom Leder gezogen¸ so dürfen zum Beispiel die allseits beliebten Kraftfelder nicht fehlen¸ für deren Entwicklung man in den zehn Jahren nach dem Kollaps sicher unheimlich Zeit¸ Mittel und Grund hatte und die im Kontext der Serie eher einen Stilbruch darstellen. PR-Autor¸ bleib' bei Deinen Leisten¸ sage ich da nur.
Der erste Charakter¸ der eingeführt wird und nicht sofort darauf stirbt¸ nennt sich Julee Camara und gleich darauf werden einem auch die höchst wichtigen Informationen zuteil¸ daß das Mädel über ein "wohlgeformtes Näschen" verfügen darf und sich mit schwingenden Hüften bewegt. Dem aufmerksamen Leser fällt messerscharf auf¸ daß der Charakterisierung damit niemals Genüge getan worden sein kann¸ weshalb gleich darauf eine etwas ausführlichere Beschreibung folgt¸ die jedem Bestandskatalog einer osteuropäischen Frauenschlepperbande zur Ehre gereichen würde. Beruhigenderweise wird der Leser mit so vielen visuellen Reizen nicht allzu lange überflutet¸ denn auch hier hat die bereits um kontinentale Bevölkerungen reduzierte Menschheit alsbald einen weiteren Todesfall zu beklagen¸ eingeschlossen noch ein paar hundert Randopfer¸ die allerdings auch keine größere Rolle als die Trägerin des wohlgeformten Näschens spielen. Langsam glaubt auch der Skeptiker¸ daß die Bösen wirklich verdammt böse sind.
Wohl wissend¸ daß diese Rezension durch allzu großen Umfang genauso ermüdend und frustrierend wäre wie ihr Anla߸ möchte ich nun auch zum Ende kommen. Wer die Serie nicht kennt¸ hat nicht wirklich etwas verpaßt und braucht um keine Zeile betrübt sein. Traurig ist nur¸ daß ein solches Machwerk einem Profi wie Konrad Schaef unterlaufen muß.
Eine Rezension von: Marc H. Romain http://www.sonnensturm-media.de