Steampunk Chronicles 1: Das Mädchen mit dem Stahlkorsett
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Mein Name ist Finley Jayne. Ich lebe in London – der Stadt¸ in der Licht und Dunkelheit ganz nahe beieinanderliegen. So wie bei mir selbst. Ich habe übermenschliche Kräfte¸ und wenn mir jemand dumm kommt¸ kann das für den Betreffenden schon mal böse enden. Als auf die Königin ein Mordanschlag verübt werden soll¸ bittet man mich¸ England zu retten.
Im London des Jahres 1897¸ der Herrschaftszeit Königin Viktorias¸ kreuzen Luftschiffe am Himmel¸ fahren dampfbetriebene Maschinen über Land und Wasser¸ bewegen sich dampfbetriebene Automaten und erledigen die niederen Arbeiten¸ die die Menschen nicht mehr erledigen wollen. London ist sehr fantastisch und recht modern. Es gibt einige technische Begebenheiten¸ fantastisch dargestellt und miteinander vermischt¸ es gibt gut ausgestattete und moderne Labore¸ moderne Fortbewegungsmittel mit seltsamen Fähigkeiten und anderes mehr¸ die London sehr reizvoll darstellen helfen. Die Gesellschaft ist sittsam und ehrenhaft¸ die jungen Männer vaterlandsliebend und die jungen Mädchen anständig und hübsch anzusehen sein. Die sechzehnjährige Finley Jayne¸ die Heldin des Buches¸ kann durchaus damit dienen¸ lediglich der Begriff Sittsamkeit scheint bei ihr ein Fremdwort zu sein. Finley Jayne ist etwas ganz Besonderes¸ denn sie ist übermenschlich stark¸ wenn zudem ihr Temperament mit ihr durchgeht¸ könnte ihr Gegenüber grosse Probleme bekommen. Das Problem zeigt sich bald¸ weil sie ihre Anstellung in einem noblen Haushalt verliert. Fühlt sich Finley bedrängt¸ bricht die dunkle Seite in ihr hervor und sie entwickelt übermenschliche Kräfte. Als ihr eines Tages der Sohn der noblen Familie August-Raynes nachstellt¸ bei der Finley beschäftigt ist¸ geht ihr Angreifer besinnungslos zu Boden. Dabei schien die Familie August-Raynes zuerst recht sympathisch. Die Trauer um den verlorenen Arbeitsplatz währt nicht lange¸ denn sie begegnet dem jungen Adligen Griffin King. Oder besser gesagt¸ sie läuft ihm direkt in sein Veloziped. Griffin und seine Freunde veranstalten die seltsamsten Experimente und gemeinsam haben sie sich dem Kampf gegen das Böse auf Londons nächtlichen Strassen verschrieben. Griffin Kings Eltern entdeckten bei ihrer Expedition zum Erdinneren die Kraft der geheimnisvollen Organellen. Emily ist ein wissenschaftliches Genie¸ der es gelingt¸ Maschinen herzustellen¸ die eine Mischung aus Menschen und Maschinen darstellen. Allerdings wirken die Apparaturen und Maschinen oftmals zu modern und ohne eine genauere Erklärung der Funktionsweise. Emily wird zudem von Griffins Freund Sam und dem Amerikaner Jasper umschwärmt. Finley Jayne scheint gut in die kleine Truppe zu passen. Denn ebenso wie Griffin und seine Freunde ist Finley ebenfalls mit übernatürlichen Fähigkeiten gesegnet (oder geplagt¸ je nach Sichtweise). Finleys Geheimnis¸ eine Art Schizophrenie¸ wirkt nur halb so geheimnisvoll¸ bedenkt man die Fähigkeiten von Griffins Freunden. Griffin nimmt Finley gegen den Willen seines Freundes Sam in die Bande auf. Sein Ziel¸ er will ihr Geheimnis zu lüften und ihr helfen. Die Nähe zum Adligen Griffin erweckt zärtliche Gefühle in ihr. Damit nichht genug¸ fühlt sie sich genauso dem zwielichtigen Gentleman-Gangster Jack Dandy zugeneigt. Es stellt sich langsam heraus¸ dass es eine Verbindung zwischen Filey und Griffin gibt¸ die weit in die Vergangenheit reicht. Kaum ist das Geheimnis gelüftet¸ konzentriert sich die Gruppe darauf eine gigantische Verschwörung aufzudecken¸ die das gesamte Empire bedroht.
Kady Cross ist das Pseudonym von Kathryn Smith ¸ die im Knaur Verlag mit ihren Romanen um die Schattenritter bekannt wurde. Das Buch besitzt eine schöne Ausstattung. Angefangen vom Titelbild über die alte Karte Londons bis hin zur Fadenheftung und dem Schutzumschlag. Der Titel des Buches wurde diesmal direkt aus dem amerikanischen übernommen¸ ist jedoch nicht aussagekräftig¸ was den Inhalt betrifft. Im Buch werden nur kurze - und nicht sonderlich wichtige - Szenen beschrieben¸ die auf das Stahlkorsett anspielen.
Das Faszinierendste an Finley Jayne ist die dunkle Seite und die wird eigentlich die ganze Zeit unterdrückt.
Für mich liegt der Hauptreiz im Wiederentdecken von bekannten Motiven¸ die zu einer neuen Geschichte verwoben werden. Eine Neuinterpretation des Motivs von Dr. Jekyll und Mr. Hyde Motivs von R. L. Stevenson oder Die Reise zum Mittelpunkt der Erde eines Jules Verne. Das Mädchen mit dem Stahlkorsett ist spannend und romantisch. Betrachtet man¸ was die Autorin vorher schrieb¸ ist dies gar nicht verwunderlich. Freundschaft¸ Vertrauen und Misstrauen spielen eine grosse Rolle.
Das Buch ist eine gut gelungene Mischung aus einem fantastischen Jugendbuch und jugendlichen Kriminalroman. Mit dem teilweise langatmigen Stil und den nicht ganz fertigen Charakteren ist das Buch aber nicht ganz rund.
The Steampunk Bible: An Illustrated Guide to the World of Imaginary Airships¸ Corsets and Goggles¸ Mad Scientists¸ and Strange Literature
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355