Stadt der Heiligen & Verrückten
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Jeff VanderMeers Ambra stellt sich in STADT DER HEILIGEN &VERRÜCKTEN mit einem Vorwort von Michael Moorcock vor. Danach folgen die vier Erzählungen DRADIN¸ VERLIEBT¸ HOEGBOTTONS FÜHRER ZUR FRÜHGESCHICHTE DER STADT AMBRA¸ DIE VERWANDLUNG DES MARTIN SEE und DER SELTSAME FALL VON X. Der Anziehungskraft einer Eigens erschaffenen Stadt kann sich kaum ein Leser entziehen¸ wenn sie atmosphärisch Dicht beschrieben wird. In der Tradition der oben genannten literarischen Stadtentwickler steht auch Jeff VanderMeer. Sein Buch STADT DER HEILIGEN &VERRÜCKTEN ist eine Sammlung von kurzen Erzählungen¸ Briefen und Versatzstücken¸ die in sich vollkommen losgelöst zu sehen sind¸ im Einklang miteinander aber ein grossartiges Erzählwerk darstellen. Die Handlungen sind alle in der Stadt Ambra angesiedelt. Einer Metropole¸ gegründet mit dem Blut der Ureinwohner der Grauhüte¸ an den Ufern des Flusses Mott¸ die vor Leben überquillt. Ein lebensfroher Moloch¸ hinter dessen spiegelnder Fassade der Verfall Einzug hält. Mit Ambra entsteht eine schillernde Welt¸ in der der Autor jedes Mal aufs Neue den Untergang predigt¸ ihn regelrecht als eine heilige Handlung darstellt. In der Erzählung DRADIN¸ VERLIEBT verliebt sich der abtrünnige Missionar und Priester Dradin in eine unbekannte Schöne hinter einem Fenster. Trotz seiner Sehnsucht zu dieser Frau¸ ist es ihm nicht möglich¸ einen Kontakt zu ihr herzustellen. Gleichzeitig erweist sich die Geschichte HOEGBOTTONS FÜHRER ZUR FRÜHGESCHICHTE DER STADT AMBRA als eine langatmig bis langweilig gewordene Beschreibung. Was mir überhaupt nicht zusagte waren die Fussnoten¸ die den Seiten beigefügt waren. Manche Fussnoten waren länger als der eigentliche Text. Damit ergibt sich für den Autoren nur eines. Er ist nicht in der Lage etwas sorgfältig zu erzählen und zu erklären¸ denn wer das beherrscht¸ benötigt keinerlei Fussnoten. Der Erzähler in der Geschichte HOEGBOTTONS FÜHRER ZUR FRÜHGESCHICHTE DER STADT AMBRA erweist sich als eine Pseudo-Historie¸ die entgegen aller Lesegewohnheiten steht. Die Aufmerksamkeit lässt nach bis hin zu völliger Gleichgültigkeit. Mehr als einmal war ich gewillt im Laufe der Erzählung das Buch einfach wegzulegen. Dann wieder siegte die Neugier¸ die aber keinem wirklichen Interesse wich. Manchmal konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren¸ hier werden einfach nur Seiten mit Buchstaben gefüllt¸ weil gerade noch etwas leeres Papier vorhanden war. Betrachte ich im folgenden die Erzählung DIE VERWANDLUNG DES MARTIN SEE¸ so bin ich schon der Meinung¸ der Autor benötigt einen Therapeuten. Wo sonst kommt es vor¸ dass ein Maler zu seiner eigenen Enthauptung eingeladen wird und er mit seinen nun entstehenden Werken bekannt wird. Aber sind Wahnsinnige nicht die besten Fantasy-Autoren? Wenn ein Autor in einer Zelle eine eigene Welt erfindet¸ wie zum Beispiel Ambra und sie dann wieder¸ zum Teil an seine Leser¸ verliert¸ denke ich¸ hier hat sich Jeff VanderMeer selbst beschrieben. So wie ich ihn auch selbst in Martin See wiederzufinden scheine. Der Ideenreichtum von Verrückten reicht weiter¸ als ein normaler Verstand denkt. Das Buch ist mit seinen Beiträgen für mich zweischneidig. Auf der einen Seite bewundere ich wie der Autor und gleichermassen der Übersetzer mit dem Alphabet umgeht und mit Worten spielt. Auf der anderen Seite empfinde ich das Buch wieder mehr als ein unwirkliches Werk¸ denn ein Fantasy-Produkt. Das trifft vor allem dann zu¸ wenn sich Jeff VanderMeer¸ um den eine seltsame Biographie konstruiert wurde¸ darin ergeht¸ endlose Texte zu erzeugen um der Stadt Ambra noch mehr Grundlage und Tiefe zu geben. Meine persönlichen Günstlinge in diesem Buch sind DER KÄFIG und IN DEN STUNDEN NACH DEM TOD. Die STADT DER HEILIGEN &VERRÜCKTEN ist keine der üblicherweise dargebotenen Fantasy-Kost. Michael Moorcock übertreibt sicherlich¸ wenn er das Buch Zitat: "...Gobelin von Erzählungen und Visionen..." bezeichnet. (Seite 13). Aufmerksam machen möchte ich jedoch noch auf die an Jugendstil erinnernde Zeichnungen¸ Vignetten¸ Zeichnungen und Bilder¸ mit denen das Buch ausgeschmückt wurde.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355