Stadt aus Glas
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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Rezension: Stadt aus Glas
2013-09-08
Ich habe täglich eine gute Wegstrecke zur Hochschule (bzw. jetzt zum Praktikum). Daher lese ich unterwegs im Zug und der U-Bahn, um mir die Zeit zu vertreiben. Als ich eines Tages in der Stadtbibliothek ein Buch auslieh, stellte ich fest, dass es nicht viele Seiten hatte. Da ich keine Lust verspürte, in ein paar Tagen schon wieder zwischen den Regalen zu stöbern, sah ich mich nach einem zweiten Buch zur Ausleihe in der Nähe um. Dabei stieß ich auf eine alte Ausgabe von Stadt aus Glas von Paul Auster und legte sie dazu - eine Entscheidung, die ich nicht bereue.
Paul Auster: Stadt aus Glas
Seitenzahl: 176 (dt. Ausgabe der SZ-Bibliothek, neuere weniger)
Preis: gebrauchte Exemplare ab wenigen Euros
Geschichte
Titelfigur der Handlung ist ein Schriftsteller namens Daniel Quinn, der nach dem Tod von Frau und Kind allein in seiner New Yorker Wohnung lebt und jährlich unter Pseudonym einen Kriminalroman veröffentlicht. Plötzlich erhält er Anrufe, die sich an einen Detektiv namens Paul Auster richten. Nach anfänglichem Zögern entschließt er sich, der Sache nachzugehen. Er tut so, als sei er Paul Auster. Wie sich zeigt, bittet ihn ein reicher, aber durch jahrelange Quälerei gezeichneter Mann um Hilfe: Sein Vater, der für sein Martyrium verantwortlich war, wird bald aus dem Knast verlassen. Quinn bzw. Auster, der vermeintliche Detektiv, soll ihn überwachen und bei Gefahr Alarm schlagen.
So macht sich Quinn daran, den Vater zu beobachten, wozu er sich eines Notizblockes bedient. Leider verliert er die Spur des Vaters. Daraufhin wendet er sich an den richtigen Auster, der sich als Schriftsteller entpuppt. Die Romanfigur trifft ihren Erschaffer: Die Person, was aus Quinn geworden wäre, wenn seine Familie nicht verstorben wäre.
Daraufhin beginnt Quinn, die Wohnung des potenziellen Opfers zu beobachten. Darüber verliert er Zeitgefühl und Identität. Der Kriminalfall spielt nur noch im Hintergrund eine Rolle, und am Ende...Aber ich verrate hier nichts dazu.
Die Geschichte überrascht mit einigen gelungenen Wendungen und entwickelt sich in eine ganz andere Richtung, als zunächst gedacht. Allerdings werden Leser, die sich einen Krimi wünschen, oder die mit Überlegungen zu Identität nichts anfangen können, dem Roman sicher nichts abgewinnen.
Ich gebe 5 von 5 Punkten.
Figuren und Dialoge
Neben Titelfigur Quinn treten das potenzielle Opfer, seine Frau, der Täter und Paul Auster auf. Alle Figuren sind wohlüberlegt. So verfolgte der Täter offenbar einen Plan, als er seinen Sohn quälte. Die Dialoge strotzen vor diversen literarischen Anspielungen, z.B. auf die Bibel und Don Quijote. Dabei bleiben die Äußerungen allerdings verständlich - zumindest für mich, ich habe beide Bücher gelesen. Auch hier gilt wieder: Wer nichts von philosophischen Überlegungen hält, wird keine Freude am Buch haben. Zudem finde ich, dass ein paar Zeilen mehr zur Frau oder dem Täter manche Motive verständlicher gemacht hätten.
Hier gibt's 4 von 5 Punkten.
Stil
Beim Stil gibt es nichts zu meckern. Trotz des im Handlungsverlauf zunehmend philosophischeren Themas lässt sich das Buch gut und schnell lesen. Die Kapitel sind gut eingeteilt, nicht zu lang oder kurz.
Daher hagelt es hier 5 von 5 Punkten.
Fazit
Für Leute wie mich, die sich mit dem Thema Identität auseinandersetzen und auch überraschende Handlungen mögen, ist das Buch unterhaltsam. Wer dagegen von Anfang bis Ende dem roten Faden entlang einer Handlung folgen will, wird womöglich enttäuscht.
Für alle Andern bleiben 14 von 15 Punkten.
Eine Rezension von: Dennis 'Sternenwanderer' Rüter https://fantasykritik.wordpress.com/