Spiderwick-Geheimnisse 6: Das Lied der Nixe
Zwischen Nixengesang und Riesenfeuer Erst muss Nick mit seiner neuen Stiefschwester Laurie klarkommen¸ dann tauchen auch noch jene seltsamen Wesen auf¸ die in Lauries Spiderwick-Handbuch verzeichnet sind: Elfen und so Zeugs. Die sieht man bloß mit dem zweiten Gesicht¸ klar? Und dann stoßen Nick und Laurie auf den Riesen¸ der alle Elfen in den Teich vor Nicks Haus getrieben hat. Denn dieser Riese speit Feuer ... Die Autoren Tony DiTerlizzi ist ein mehrfach ausgezeichneter amerikanischer Illustrator von Kinder- und Jugendbüchern sowie Rollenspielbänden. Zu seinen Werken gehören Arbeiten für Bücher von Tolkien¸ Anne McCaffrey¸ Peter S. Beagle sowie für das Kartenspiel "Magic the Gathering" und "Dungeons & Dragons". Er lebt mit seiner Frau Angela und seinem Mops Goblin (= Kobold!) in Amherst¸ Massachusetts¸ einem recht malerischen Städtchen in Neuengland. Lebte nicht auch die Dichterin Emily Dickinson dort? Mehr Infos: http://www.diterlizzi.com. Holly Black wuchs laut Verlag in einem "alten viktorianischen Haus auf¸ wo ihre Mutter dafür sorgte¸ dass ihr die Geister- und Elfengeschichten nie ausgingen". Ihr erster Jugendroman "Die Zehnte" (2002) entwirft ein "schauriges Porträt der Elfenwelt". Es wird von der American Library Association als "Best Book for Young Adults" bezeichnet¸ eine gute Empfehlung für politisch korrekte Fantasy. Holly lebt mit ihrem Mann Theo und einem "beeindruckenden Zoo" in New Jersey. Die bisherigen Bände heißen: 1) Eine unglaubliche Entdeckung 2) Gefährliche Suche 3) Im Bann der Elfen 4) Der eiserne Baum 5) Die Rache der Kobolde Ergänzend: Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum Die Vorgeschichte Die Zwillinge Simon und Jared ziehen mit ihrer älteren Schwester Mallory von New York City aufs Land¸ nachdem sich ihre Eltern haben scheiden lassen. Sie leben jetzt bei ihrer Mutter¸ die sich nun keine New Yorker Wohnung mehr leisten kann¸ aber zum Glück noch ein Domizil von ihrer Großtante Lucinda überlassen bekommt: Haus Spiderwick. Es sieht wie eine Ansammlung übereinander gestapelter Hütten aus¸ findet Jared. Und ist mindestens hundert Jahre alt. Als Jared erkundet¸ wohin der Speisenaufzug führt¸ landet er in einem geheimnisvollen Zimmer¸ aus dem keine Tür hinausführt. An der Wand hängt ein Porträt seines ehrwürdigen Ahnen Arthur Spiderwick¸ und auf dem Sekretär liegt ein altes¸ vergilbtes Blatt Papier. Darauf steht ein Rätsel¸ und obwohl Jared eigentlich nicht der Bücherwurm der Familie ist¸ muss er sofort das Rätsel lösen. Hoch oben im obersten Kämmerchen des Hauses landet er endlich vor einer großen Truhe. Er strengt seinen Grips an und findet darin ein Buch. Es ist das allerseltsamste Buch¸ das er jemals gesehen hat. Es handelt von Elfen: "Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum". Das Wichtelmännchen Thimbletack¸ quasi der Hausgeist von Spiderwick¸ hat Jared ermahnt¸ das Buch schnellstens loszuwerden¸ doch der wollte nicht hören. Nun müssen alle die Folgen tragen. Vier weitere Abenteuer mit den Elfen folgten. Nun wird der Schauplatz verlegt: nach Florida¸ ins Alligatorengebiet. Handlung Nick Vargas und sein Bruder Jules haben ihre Mutter verloren¸ doch nun hat ihr Vater erneut geheiratet. Und Charlene bringt eine Tochter namens Laurie mit¸ die erstens sehr belesen ist und zweitens völlig auf Fantasy abfährt. Nicht nur dies bringt den praktisch veranlagten Bastler Nick auf die Palme¸ sondern auch die Tatsache¸ dass er ihr sein Zimmer überlassen muss. Eines von Lauries Büchern heißt "Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum"¸ und sie nimmt es auf ihren ersten gemeinsamen Ausflug mit. Das Haus von Nicks Vater ist das erste in einer Neubausiedlung¸ das fertig ist. Die Siedlung steht mitten in einem ehemaligen Alligatorengebiet in Florida. Immer noch sind viele Teiche von dem übrig¸ was einmal ein Sumpf war. Als die beiden elfjährigen Kinder in den Wald vordringen¸ stoßen sie auf allerlei Getier und jede Menge dornige Pflanzen. Dumme Sache¸ dass man die "fantastische Welt um dich herum" nur entdeckt¸ wenn man das zweite Gesicht hat. Dafür braucht man nach Lauries Angaben entweder Steine mit Löchern oder vierblättrige Kleeblätter oder ... Als Nick ein vierblättriges Kleeblatt findet und einsteckt¸ sieht er die Welt buchstäblich mit anderen Augen. In der Nacht erblickt er auf dem Rasen vor seinem Haus ein Wesen¸ wie er es noch nie gesehen hat: eine Nixe. Sie hat grüne Haut¸ winzige Flossen an den Wangen und Häute zwischen den langen Zehen. Aber sie liegt irgendwie leblos auf dem Gras vor dem Haus. Als Nick Laurie das Kleeblatt gibt¸ kann auch sie die Nixe sehen. Sie wei߸ was zu tun ist: Man muss sie zurück in den Teich bringen. Gesagt¸ getan¸ obwohl sich Nicks Vater wundert¸ was sein Sohn mit einer leeren Schubkarre vorhat ... Die Nixe Taloa erweist sich als dankbar und erzählt Laurie und Nick¸ dass sie und ihre verschwundenen Schwestern vor etwas geflohen seien¸ das sie vernichten wollte. Als Nick sich weigert¸ nach den Schwestern zu suchen¸ weil er immer noch nicht an Elfen glauben kann¸ füllt sich das nagelneue Auto seines Vaters auf wundersame Weise bis oben hin mit Sand. Natürlich müssen er und Laurie die Schweinerei sofort beseitigen¸ sonst gibt es ein Donnerwetter von ihrem Vater. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig¸ als nach Taloas sechs Schwestern zu suchen. Mitten im Wald stoßen sie auf eine freigebrannte Fläche. Sehr merkwürdig¸ findet Nick¸ denn ein Waldbrand war das wohl nicht. Neben einem Hügel liegen drei verbrannte Umrisse¸ wahrscheinlich waren das einmal Nixen. Als Nick sich auf den Hügel stellt¸ um einen besseren Ausblick zu bekommen¸ bewegt sich der Hügel! Nick springt herunter¸ und der Hügel entpuppt sich als Riese. Das Ungeheuer verfolgt sie bis Taloas Teich¸ wo ihn erst Taloas Sirenengesang besänftigt. Puh¸ das war knapp! Aber nun sitzt der Riese ziemlich nahe bei Nicks Elternhaus. Und sollte Taloas Stimme versagen¸ könnte ihnen der Riese ziemlich gefährlich werden. In Arthur Spiderwicks Handbuch steht¸ Riesen könnten Feuer speien¸ wenn sie Feuersalamander essen. Das muss wohl Taloas Schwestern zum Verhängnis geworden sein. Aber wie wird man einen Riesen wieder los? Das Handbuch verrät darüber nichts. Da erinnert sich Laurie¸ dass die Autoren des Handbuchs¸ Holly Black und Tony DiTerlizzi¸ in Orlando eine Lesung veranstalten. Vielleicht wissen sie Bescheid¸ was zu tun ist. Aber Orlando liegt eine Stunde entfernt. Sie können weder Vater noch Mutter fragen¸ sie hinzufahren. Also muss Jules aushelfen. Aber wie bringt man ein Kerl dazu¸ einem zu helfen¸ der den ganzen Tag entweder am Handy hängt oder Ballerspiele auf dem PC spielt - oder beides gleichzeitig? Mein Eindruck Mehr als in den bisherigen Spiderwick-Bänden ist die Handlung an die Gegenwart herangerückt worden. Während sich die Protagonisten in Neuengland noch fast im märchenhaften England wähnen konnten¸ so sind Nick und Laurie mehrfach mit der aktuellen Zeit konfrontiert. Jules hat einen MP3-Player¸ Computerspiele¸ ein Handy. Nick isst Müsli¸ sein Vater hat erneut geheiratet. Wieder ist die Familie nicht aus einem Guss¸ sondern klassisches Patchwork - von der Mutter ein Kind¸ vom Vater zwei. Natürlich ist es für die Betroffenen nicht einfach¸ sich zusammenzuraufen. Doch Nicks Ablehnung gegenüber Laurie¸ die ihm sein Zimmer "wegnahm"¸ schlägt in Ver- und dann in Bewunderung um¸ als er verdutzt merkt¸ wie leicht es ihr gelingt¸ die Leute dazu zu bringen¸ das zu tun¸ was sie will. Mit Lügen! Aber Nick hat keine Zeit¸ zu protestieren¸ denn Laurie ist Everybody's Darling und wird immer unterstützt - ob Nick will oder nicht¸ er muss gute Miene zu Lauries Spiel machen¸ will er sich nicht Strafpunkte einhandeln. Und die könnten sich leicht in Stubenarrest und TV-Verbot verwandeln. Mit Lauries Hilfe gelingt auch der Kontakt zu den Spiderwick-Kindern¸ die wir schon kennen¸ besonders zu Jared¸ dem jähzornigen Schlaukopf. Er gibt ihnen einen guten Tipp. Als sie diesem folgen¸ machen sie sozusagen wieder einen Ausflug in die Vergangenheit - und stoßen auf einen echten Riesentöter. Schließlich gelingt es ihnen doch noch¸ den Riesen¸ der die Nixen auf dem Gewissen hat¸ außer Gefecht zu setzen. Aber das nächste Abenteuer kommt bestimmt. Den besonderen Reiz der Handlung gewinnt das Buch aus dem Gegensatz zwischen Nicks Unglauben¸ ja¸ seiner tief sitzenden Ablehnung von allem Elfischen und Phantastischen einerseits - und dem moralischen Zwang¸ etwas für die Elfen zu unternehmen¸ andererseits. Schließlich kann er keinem Lebewesen etwas zuleide tun¸ nicht mal einer Nixe. Nicks innerer Kampf wirkt überzeugend¸ aber wir wünschen uns natürlich¸ dass er ihn verliert. Bis es so weit ist¸ kommt es zu allerlei komischen¸ für Nick nicht sonderlich angenehmen Situationen. Die Nixe als Fabelwesen entfaltet wohl besonders für Mädchen einen besonderen Reiz. Aber wenn klar wird¸ dass sie über die Macht des Sirenengesangs verfügt¸ erinnern sich Jungs bestimmt an die Irrfahrten des Odysseus. In Homers Epos lockten die Sirenen die Seeleute an Land¸ um sie dort zu töten. Natürlich vermeidet das Kinderbuch jede Anspielung auf solche verborgenen Schrecken. Illustrationen und Übersetzung Diese Abenteuer erstrecken sich über mindestens sechs Bände¸ alle davon sehr schön illustriert und wertvoll gestaltet. Der Illustrator Tony DiTerlizzi bedankte sich im ersten Buch der Reihe für die Inspiration dazu bei Arthur Rackham¸ einem der berühmtesten Zeichner für Kinderbücher aus der viktorianischen Ära. Rackham illustrierte beide Bücher über "Alice im Wunderland" und natürlich auch "Grimms Märchen" (sehr schön in der Heyne-Ausgabe). Das klingt nach einem netten Bilderbuch¸ und das ist es teilweise auch. Auf der Rückseite ist die Nachbildung einer amerikanischen Postkarte abgedruckt¸ abgelegt auf einem breiten Blatt¸ dessen Äderung deutlich zu sehen ist. Es eignet sich wohl ab zehn Jahren; der Verlag empfiehlt ein Lesealter ab acht Jahren. Nick und Laurie sind jedenfalls schon elf und können immer noch etwas mit dem Elfenbuch anfangen. Ältere Leser finden die Bilder vielleicht hübsch¸ aber die Handlung ist für sie wohl nicht so der Hit. Das Abenteuer ist diesmal immerhin etwa 170 Seiten lang - rund 50 mehr als in den ersten Bänden. Davon entfallen rund 20 Seiten auf Vor- und Abspann¸ und vom Rest wiederum etwa die Hälfte auf Illustrationen. Kein Wunder also¸ dass ein Erwachsener wie ich solch ein Buch binnen einer Stunde gelesen hat. Die Sprache ist relativ einfach gehalten (aber nicht mehr so einfach wie am Anfang)¸ und die Übersetzerin Anne Brauner hat das Original angemessen übertragen. Besonders gut gefiel mir ihre Übersetzung des Gedichts am Anfang des Buches. Die Landkarte erleichtert dem Leser die Orientierung. Unterm Strich Die Autorin Holly Black hat darauf geachtet¸ die Handlung einerseits nicht zu komplex zu gestalten¸ aber auch nicht so simpel¸ dass sich ein elfjähriger Leser unterfordert und veräppelt fühlt. Es geht durchaus um Leben und Tod¸ denn der Riese - ein feuerspeiendes Ungeheuer mit dem Verstand eines Zweijährigen - hat bereits mehrere Nixen auf dem Gewissen und bedroht bereits die nächste. Das Abenteuer¸ der Nixe beizustehen und den Riesen zu stoppen¸ fordert den Einfallsreichtum und Wagemut der Kinder. Das ist eine gute (und gut verborgene) Lehre für jedes Kind. Obwohl das Buch vierzig Seiten mehr Umfang hat¸ ist der Preis ebenso gleich geblieben wie die sorgfältige Ausstattung. Diese Leistung des Verlags finde ich sehr löblich. Ich freue mich schon auf die nächsten Bände.
Eine Rezension von: Michael Matzer http://www.buchwurm.info/