Sperling
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Während sich die weltlichen Mächte nicht dazu durchringen können¸ eine Expedition in die Tiefen des Alls auszurüsten¸ ist es gerade die Gesellschaft Jesu¸ die die erste Weltraumreise ausrichtet. Mit einem umgebauten Asteroiden namens STELLA MARIS fliegen Sie Richtung Alpha Centauri. Das Ziel der Jesuiten ist es von je her¸ neu entdeckte Kulturen zu erforschen und mit ihrem Glauben moralisch zu verderben. Eine Achtung fremden Glaubens ist ihnen fremd¸ der eigene Glauben ihr ein und alles. Auf dem Weg nach Rakhat finden sich eine Gruppe aus Jesuiten und Wissenschaftler anderer Glaubensrichtungen zusammen. Zum einen die Viergruppe um Emilio Sandoz¸ die zuerst davon erfuhr¸ sowie vier weitere Wissenschaftler. Auf Rakhat finden sie intelligente Wesen¸ die die Fremden von der Erde zunächst freundlich empfangen. Die Runa sind ein freundliches¸ vegetarisch lebendes Volk. Neben den Runa gibt es ein zweites intelligentes Volk. Die beiden Völker leben in einem schwierigen Gleichgewicht¸ in die der Mensch eher störend einbricht. Erst spät wird daher für die Ankömmlinge ersichtlich¸ hier eine fest gefügte und vielschichtige soziale Struktur vor sich zu haben. Das Zusammentreffen mit der Herrscherklasse der Ja'an und die verhängnisvolle Entwicklung durch das Auftauchen der Menschen ist der Kern der Geschichte.
Emilio ist es auch¸ der im Jahre 2060 von der langen Reise als einziger zurückkehrt. An Leib und Seele gebrochen ist er es¸ der Licht in die verlorene Missionen bringt. Denn nicht nur die erste Mission von Emilio Sandoz ist lange Zeit verloren geglaubt. Auch eine zweite Mission wird vermisst. In einem Bericht der zweiten Mission wird Emilio sogar vorgeworfen¸ in einem Bordell gearbeitet und ein Kind ermordet zu haben. Emilio ist zuerst nicht ansprechbar und es gehört viel Zeit und Arbeit dazu¸ den Mann wieder ein wenig aufzurichten¸ so dass er von der Mission berichten kann. Die Begegnungen auf Rakhat machten aus dem freundlichen jungen Mann einen verbitterten¸ vom Alter gezeichneten Einzelgänger¸ der die Gemeinsamkeit mit anderen Menschen ablehnt. Auf der einen Erzählebene verfolgen wir die Aussagen Emilios¸ sechzig Jahre nach seinem Aufbruch. Der gebrochene und am Glauben zweifelnde Jesuit ist der Mittelpunkt dieses Geschehens. Auf der zweiten Erzählebene verfolgen wir den Aufbruch und die Reise¸ bis hin zur Landung und den Tod der Missionsteilnehmer.
So erfährt die Leserin und der Leser bereits zu Anfang des Romans¸ dass die Expedition scheiterte. In Rückblicken erzählt wird von der 'Vernehmung des Emilio Sanchez' durch Jesuiten aus den verschiedensten Glaubensebenen und unterschiedlichen Standpunkten des Ordens.
SPERLING ist ein Roman¸ den ich eher zur Social Fiction zähle¸ denn zur Science Ficton. Bei dieser religiösen Reise geht es eindeutig um die Beziehung zweier Planeten und deren Bewohner. Feine Charakterstudien der beteiligten Personen¸ im Vordergrund der Jesuit Sandoz¸ sowie ausführliche Verhaltensstudien machen SPERLING zu einem der wichtigsten Bücher in der Phantastik in den letzten zwanzig Jahren. Alle Handlungsträger werden von der Autorin Mary Doria Russell liebevoll gezeichnet¸ stehen in der Erzählung im Vordergrund und das Gefühl¸ die Personen bereits lange zu kennen¸ schiebt sich unbewusst in den Vordergrund¸ wenn man sich in den Roman vertieft.
Eine fesselnde Wirkung war für mich die Einzelheiten nennende Beschreibung der verschiedenen Rassen auf Rakhat und das Einwirken des Menschen. Gerade die Einflüsse des Menschen sind es die für mich sehr schön behandelt wurden. Dabei ist es gerade der Glaubenskonflikt¸ den Emilio Sandoz im Roman mit sich herumträgt. So macht es direkt Spa߸ ihm scheinbar zuzuhören¸ wenn er sich mit Agnostikern¸ Juden und Wissenschaftlern über Glauben streitet. Das Buch lebt von den Wesenszügen und den Beweggründen der Hauptpersonen. Schon zu Beginn wird klar¸ hier ging etwas furchtbar schief. Durch die rückwärts gerichtete Erzählung von Sandoz¸ weiss ich¸ es gab nur einen Überlebenden. Während des Lesens hoffte ich immer wieder¸ dass doch noch jemand anderes überlebt¸ wohlwissend¸ dass es doch nicht der Fall sein wird. Ein wirklich schöner Schreibstil¸ unterstützt durch eine gelungene Übersetzung fesselte mich als Leser. Die Spannung der Geschichte und die ihr innewohnende eigene Geschwindigkeit spürte ich als Leser von Beginn an.
Der Schluss dieses Buches ist ein gelungenes Beispiel für den Zusammenstoss zweier Kulturen¸ die sich nicht verstehen und letztlich gegenseitig dem Untergang preisgeben. Die letzte hochmoralische Frage¸ die selbst Mary Doria Russell unbeantwortet lässt ist die nach Gott. Gibt es ihn¸ und wenn ja¸ warum?
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355