Sally Lockhard 3: Der Tiger im Brunnen
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Man kann schon gespannt sein¸ wenn der Autor den Leser in den Oktober des Jahres 1872 entführt und auf der zweiten Seite des Romans mit Der Heldin des Buches bekannt macht mit den Worten:
"Ihr Name war Sally Lockhart¸ innerhalb der nächsten Viertelstunde sollte sie einen Mann umbringen."
So ein Anfang ist selbst für ein Jugendbuch ein Knaller. Plötzlich ist man gespannt darauf¸ wie und warum Sally einen Mord begeht. Die sechzehnjährige wächst als Halbwaise bei ihrem Vater auf und lernt durch ihn alles kennen¸ was man benötigt¸ um ein Handelskontor zu führen. Gemeinsam mit Herrn Selby führt er ein Geschäft und handelt mit allem¸ was möglich ist. Während einer Passage auf einem Schiff¸ geht dieses unter und Sallys Vater stirbt. Die Umstände unter denen ihr Vater verstirbt sind sehr geheimnisvoll. Das alleinstehende Mädchen erhällt zudem einen geheimnisvollen Brief¸ der sie vor den "sieben Wohltaten" warnt. Dieser Brief stellt sie vor ein Rätsel und bei ihren Nachforschungen stellt sie fest¸ sie muss erst einmal ihre eigene Vergangenheit erforschen. Ihr zur Seite steht Jim¸ der im Kontor arbeitet und bei ihrem ersten Zusammentreffen ist sie der Meinung¸ der ganze Dreck der Umgebung würde an ihm hängen. Beide suchen nach Antworten. Dabei erfährt Sally¸ dass ihr Vater wegen eines Rubins ermordet wurde. Ihr Vater hinterliess ihr ein paar Hinweise auf das Versteck des Rubins. Aber sie ist nicht die Einzige die auf der Suche ist. Sally lernt unterdessen Frederick Garland kennen¸ der ihr behilflich ist.
Sechs Jahre später konnte sich Sally als Finanzberaterin einen Namen machen und arbeitet seither seriös. Trotzdem schlägt ihre Neigung zur Detektivarbeit immer wieder durch. Vor allem¸ als ein Schiff aus unerklärlichen Gründen bei ruhiger See sinkt¸ der Bühnenmagier McKinnon verliert bei seiner Schau fast sein Leben und die Hellseherin Nellie Budd hat Vorhersehungen von Blut im Schnee. All diese Ereignisse¸ scheinbar zusammenhanglos¸ ergeben eine grosse Verschwörung. Aber es beginnt alles mit Herrn Axel Bellmann¸ der Gelde veruntreut und auf dessen Spuren sich Sally heftet¸ weil Anne Walsh¸ eine ihrer Klientinnen¸ an Herrn Bellmann ihr Geld verlor. Bei Herrn Bellmann scheinen aber auch alle anderen Fäden zusammen zu laufen.
1881¸ Sally ist erfolgreich¸ hat eine Tochter mit Namen Harriett und beiden scheint es gut zu gehen. Da geschieht etwas unglaubliches. Ein Fremder behauptet plötzlich¸ der Vater von Harriet und der Ehemann von Sally zu sein. Der Fremde will ihre Tochter und als er zudem noch Scheidungspapiere und ähnliches vorliegt¸ muss Sally ihre Tochter hergeben. Weil sie ihre Tochter nicht allein lassen will¸ beginnt sie in dem Haus des Fremden als Dienstmagd. Hier gelingt es ihr¸ den Fremden endlich zu Gesicht zu bekommen. Ihr Schrecken ist gross¸ weil der Fremde der totgeglaubte Ah Ling ist.
Der Roman DAS BANNER DES ROTEN ADLERS erzählt diesmal mehr von Sallys Freunden als von ihr. Im Mittelpunkt steht Jim Taylor¸ den wir im ersten Buch kennen lernten. Jim soll eine Kronprinzessin beschützen. Es stellt sich heraus¸ dass sie Adelaide Bevan ist¸ die er gesucht hatte. Sie hatte den Kronprinzen des Königreiches Raskawien Rudolf von Eschtenburg¸ geehelicht. Ihr Mann wurde ermordet und sie muss sich nun als Prinzessin behaupten. Dabei steht sie im Mittelpunkt des höfischen Ränkespieles. Jim gerät mitten in die politischen Machtkämpfe und das kleine Reich¸ irgendwo zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn¸ verliert seine Unabhängigkeit.
Philip Pullman ist vor allem mit seiner Trilogie um den goldenen Kompass¸ das magische Messer und das Bernstein-Teleskop in Deutschland bekannt geworden. Seine Jugend-Fantasy-Kriminal-Romane sind eine Bereicherung des Jugenbuchgenres. Die Erzählungen sind liebenswürdig¸ feinsinnig aber auch spannend und fesselnd. Durch die Bücher¸ die in verschiedenen Jahren spielen¸ lernen wir Sally als Jugendliche kennen¸ die sich langsam zu einer jungen Frau entwickelt. Damit erinnert die Trilogie ein wenig an die Mädchenbücher der 1970er Jahre. Daneben kommt aber vor allem der Krimi mit all seinen unterschiedlichen Elementen zum tragen. Gleichzeitig ist Philip Pullman bereit¸ lieb gewonnene Personen und Handlungsträger aus dem Erzählstrang heraus zu nehmen. Zudem erscheint es mir wichtig darauf einzugehen¸ dass nicht nur eine Geschichte erzählt wird¸ sondern auch die wirkliche Geschichte mit einbezieht¸ etwa¸ wenn es um die Juden geht. Der zeitgeschichtliche Rahmen überzeugte mich¸ ebenso wie die soziale Stimmung.
Ein kleiner Ausreisser ist der vierte Band. Es sind die Bezüge zu Sally da¸ doch wird sie so gut wie nicht erwähnt. Hier ist Jim¸ ihr Begleiter seit dem ersten Roman¸ der Handlungsträger und der Mittelpunkt der Erzählung.
Inzwischen ist die Serie auch verfilmt worden und kann als DVD-Box erworben werden. Allerdings gibt es Unterschiede zu den Büchern.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355