Royal Space Force: The Wings of Honnêamise
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Nipponart (2020 1 DVD = 120 Min ? €
Ein Krieg zwischen dem Königreich Honnêamise und seinem Erzrivalen¸ der Republik¸ scheint unvermeidlich. Während jedoch die beiden verfeindeten Nationen immer weiter militärisch aufrüsten¸ versucht eine kleine Gruppe¸ die Menschheit in einem weltweit ersten bemannten Raumfahrtprogramm in die Zukunft und in den Weltraum zu führen¸ um das drohende Chaos zu verhindern. Angeführt wird die Honnêamise Royal Space Force von dem jungen Soldaten Shiro Lhadatt¸ für den die Expedition nicht nur eine Reise in die Weiten des Weltalls ist¸ sondern auch eine Prüfung für seine Rolle als neuer Anführer einer Gruppe ist¸ die sich das Ziel gesetzt hat¸ die Welt vor einem Armageddon zu retten.
Royal Space Force – Wings of Honnêamise gilt als einer der eindrucksvollsten Animes aller Zeiten. Das traditionsreiche Studio Gainax (u.a. Neon Genesis Evangelion hat hier ein Meisterwerk geschaffen¸ das den Zuschauer durch beeindruckende Animation und brillantes Geschichtenerzählen in eine epische Welt entführt. Nipponart präsentiert den Sci-Fi Klassiker zum ersten Mal auf Blu-ray in Deutschland! (Verlagstext
Der Film Royal Space Force - The Wings of Honnêamise¸ 1987 veröffentlicht¸ wurde von vielen älteren Fans als ein Stück begabtes¸ reifes Kino geschätzt. Zumindest wurde es mir so zugetragen¸ als ich mich vor kurzem mit jemandem darüber unterhielt.
Typisch für viele japanische Zeichentrickfilme¸ setzt sich The Wings of Honnêamise in einer fremden Welt im Krieg mit sich selbst in Szene und nutzt den Konflikt eines solchen Schauplatzes dann in erster Linie als Hintergrund für eine Charakterstudie und nicht als konkrete Grundlage für das Gesamtthema und die Erzählung. Die Studie wirft in diesem speziellen Fall ihr Hauptaugenmerk auf Shirotsugh Lhadatt¸ einen apathischen jungen Mann¸ dessen Leben in eine frühe Phase der Stagnation eingetreten ist¸ weil er nicht hart genug studiert hat¸ um den Anspruch¸ Pilot zu sein¸ zu etwas mehr als einer Kindheitsfantasie zu machen. Gefangen in der lächerlichen und praktisch überflüssigen Royal Space Force¸ müssen er und seine ebenso Freunde jeden Tag so tun¸ als ob sie tätig wären.
Dies ist ein Film¸ der vielen jüngeren Anime-Fans nichts sagt¸ weil er älter ist als sie¸ wahrscheinlich dank seines verhaltenen Tempos und der gedämpften Farben. Aber er wurde von vielen älteren Fans als ein Stück begabtes¸ reifes Kino geschätzt. Es bleibt natürlich die Tatsache¸ dass er ein meisterhaftes Stück Animation bleibt: akribisch in seiner Detailgenauigkeit¸ fokussiert in seiner Erzählweise und kompromisslos in seinem Ehrgeiz und seinen Bestrebungen.
Als eine junge¸ nicht besonders attraktive Frau mit religiösen Absichten¸ die mitten in einer geschäftigen Stadt steht und versucht¸ Flugblätter an gefühllose Massen zu verteilen¸ irgendwie Shiros Aufmerksamkeit erlangt¸ erscheint er wenig später zu einer Gebetsversammlung und wird so inspiriert¸ dass ihm und seinen Kollegen eine ganz neue Straße vor Augen geführt wird - eine¸ die zwar steil abfällt¸ aber ein erstrebenswertes Ziel hat.
Mehr als die Religion selbst ist es die Reinheit der Wünsche und Anliegen der jungen Riquinni¸ die Shiro inspiriert und ihm den Antrieb gibt¸ sich freiwillig für den ersten bemannten Raumflug zu melden. Obwohl er nie von ihren Überzeugungen eingenommen wird¸ bewundert er ihre Wünsche und Sehnsüchte¸ und es sind seine Inspiration¸ seine Verwirrung und sein unsicherer und doch aufgeregter Ehrgeiz¸ die sowohl die Kernnarrative als auch das Thema vorantreiben.
Die Erzählung wird in ihrem eigenen Tempo erzählt - ein Tempo¸ das mehr darauf abzielt¸ die Züge und Überzeugungen ihrer vertrauten¸ aber doch sehr unterschiedlichen Welt zu etablieren¸ als von einem Punkt zum nächsten zu eilen. Honnêamise ist¸ wenn es von einem konventionellen Genre geprägt werden soll¸ nichts weiter als ein Charakterdrama. Es gibt Momente der Handlung¸ Momente der Spannung und Momente der Verschwörung¸ aber sie alle tragen dazu bei¸ diesem einfachen¸ aber letztlich lohnenden Schwerpunkt zu dienen.
Ein Schwerpunkt auf Charakter und Gesellschaft¸ der durch einige der erstaunlichsten Animationen¸ die je gesehen wurden¸ zum Leben erweckt wird. Was die japanische Produktion betrifft¸ kann kein anderer Zeichentrickfilm mit den liebevollen Details und kleinen Feinheiten¸ die in Honnêamise zu sehen sind¸ mithalten. Die Figuren und die Welt verhalten sich gleichermaßen mit einem Gefühl von gewichteter Glaubwürdigkeit. Wenn eine Figur geht¸ ist die Persönlichkeit in ihrem Gang¸ und wenn etwas explodiert oder ausbricht¸ fühlt sich jedes einzelne Bild mit der Energie der Explosion aufgeladen.
Honnêamise ist nicht nur ein Film¸ den die Leute sehen sollten¸ und einen¸ den sie hoffentlich zumindest respektieren werden¸ auch wenn sie anfangs Schwierigkeiten haben¸ ihn zu genießen. Die Qualität ist gut. Die ganze visuelle Pracht würde sich ohne eine qualitativ hochwertige Geschichte¸ die sie ausfüllt¸ leer anfühlen¸ und auch in dieser Abteilung liefert Honnêamise grosse Leistungen. Das Schreiben ist ein spektakuläres Bemühen um knackige Details¸ die mit subtilen philosophischen und soziologischen Untermauerungen versehen sind. Hier finden sich zwei miteinander verflochtene Geschichten: die eine handelt von der Komplexität der Zusammenstellung des ersten bemannten Raumfluges überhaupt¸ die andere von den Bemühungen eines Mannes¸ einen Sinn für sein Leben zu finden und es trotz der enormen Hindernisse¸ die ihm im Weg standen¸ einschließlich seiner eigenen Fehler¸ zu Ende zu bringen. Der Soundtrack ist nicht so sehr schlecht¸ sondern nur sporadisch wirksam und gelegentlich sogar ablenkend. Dieser Inhalt¸ besonders in einer Szene¸ schreit nach einer vollen¸ eleganten Orchestrierung¸ aber stattdessen erhalten wir billig klingende synthetische Musik. Nur um sie zu hören¸ würde man nie vermuten¸ dass sie von einer bekannten Persönlichkeit komponiert wurde¸ die im selben Jahr für ein anderes Projekt Oscar-Preisträger werden würde.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355