Relictum
Unter der Führung des italienischen Söldners Salvatore Conte stürmt eine hochtechnisierte Truppe den Tempelberg in Jerusalem und entwendet aus einer versteckten Grabkammer eine antike Reliquie.
Was zunächst¸ scheinbar nur lokal begrenzt¸ den ewig unsicheren Schauplatz des Nahen Ostens zu erschüttern scheint¸ zieht doch weitere Kreise als zunächst geahnt.
Während sich vor Ort der syrischstämmige Unterhändler Razak bin Ahmed bin al Tahini als Verbindungsmann zwischen den israelischen Behörden und dem WAGF (soziale und religiöse Institution der islamischen Gemeinden) zusammengeschweißt in einer Zwangskooperation mit dem britischen Archäologen Graham Barton dem Diebstahl der Reliquie annimmt¸ nimmt andernorts die amerikanische Genforscherin Charlotte Hennesy zusammen mit dem italienischen Anthropologen Giovanni Bersei ihre Arbeit auf. In den modern ausgestatteten Katakombenlabors des Vatikans obliegt es den beiden Wissenschaftlern eine Reliquie zu untersuchen und ihren Inhalt möglichst genau zu datieren.
Pater Donovan¸ der irische Bibliothekar des vatikanischen Geheimarchivs assistiert den beiden Wissenschaftlern hierbei und leitet gleichzeitig alle wesentlichen Etappenerkenntnisse an den Drahtzieher und Initiator sowohl der Untersuchung¸ wie auch des Diebstahls¸ Kardinal Santanelli weiter.
Zwischen den genannten Personen entspinnt sich ein Wettrennen gegen die Zeit¸ in dem Gegenwart und Vergangenheit eine untrennbare Liaison mit fatalen Folgen eingehen sollen. Nichts scheint mehr so zu sein¸ wie man einst glauben gemacht worden ist und vor allem die beteiligten Experten werden auf eine harte Glaubensprobe gestellt¸ die nicht nur ihre Überzeugungen ins Wanken bringt¸ sondern die gesamte westliche Hemisphäre an den Rande einer Katastrophe führt.
Relictum lässt sich¸ meiner Meinung nach¸ mit Fug und Recht als Muss für Fans von Dan Brown¸ Scott Bain und Raymond Khoury klassifizieren¸ wie dies Knaur auf dem Klappentext der Taschenbuchausgabe tut.
Es handelt sich hierbei um einen weiteren Roman¸ der Verschwörungstheoretiker Wasser auf ihre Mühlen gibt¸ da er einmal mehr den Grundfragen der Christenheit auf der Spur ist. Die Frage nach der "Auferstehung Jesu Christi" und die damit verbundene Angst vor den etwaigen unangenehmen Antworten spielt in Relictum die Hauptrolle.
Der Glaube mag Berge versetzen¸ aber ihm wohnt auch immer ein großes Gefahrenpotential inne¸ sei es der moslemische¸ jüdische¸ hinduistische¸ christliche etc. pp. Allen Glaubensrichtung ist eines gemein: viele Menschen gründen ihre gesamte Existenz auf ihren Glauben¸ um so fataler sind die Folgen¸ wenn man diesen in seinen Grundfesten zu erschüttern sucht.
Michael Byrnes entwickelt eine brisante Personenkonstellation voll von Gewissenskonflikten¸ persönlichen Animositäten gegeneinander¸ aber auch gegen sich selbst.
So stereotyp der skrupellose Söldner Salvatore Conte auf den ersten Blick wirken mag; stereotyp deshalb¸ weil kein Mensch nur böse sein kann¸ so überraschend entwickeln sich im weiteren Verlauf Figuren wie Pater Donovan oder auch Razak bin Ahmed bin al Tahini.
Es sind Figuren die¸ ob ihrer besonderen Umgebung und dem dieses anhaftenden Konfliktpotentials¸ um so authentischer wirken¸ da sie scheinbar überzeichnet sind.
Gerade der Nahe Osten mit seinen historischen Problemen und auch die Thematik der Wahrung von Dogmen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln¸ die diesem Buche zugrunde liegt¸ führt uns Menschen immer wieder an den Rand unserer Vorstellungskraft und teilweise darüber hinaus¸ so dass auch scheinbar noch so überzeichnete Figuren¸ wie auch Szenen¸ letztendlich authentisch wirken.
Alles in allem ist Relictum nicht nur eine hochspannende Lektüre¸ sondern auch eine gut recherchierte Informationsquelle für all diejenigen¸ die sich näher mit potentiellen Frage- und Problemstellungen von "Glauben" an sich und dem christlichen Glauben im besonderen auseinandersetzen wollen.
Besonders wird vor allem immer wieder seitens des Autors darauf verwiesen¸ dass gerade die Christen¸ Muslime und Juden mehr als nur der Hass aufeinander verbindet¸ vielmehr sind die gemeinsamen Wurzeln dieser Glaubensrichtungen einfach nicht mehr wegzudiskutieren.
So ist Relictum also ein Mysterythriller mit einer hochbrisanten Aktualität in Fragen gegenwärtiger Sicherheitspolitik¸ wie auch vorherrschender Wertedebatten vor dem Hintergrund häufig und vieldiskutierter "Atheisierung" westlicher Gesellschaften im Gegensatz zu einer fortschreitenden "Fanatisierung" muslimischer Glaubensgemeinschaften.
So voll des Lobes man auch sein kann und sollte¸ wenn man das Buch gelesen hat und auch alle aufgezeigten Dimensionen¸ die es dem Leser offen legt¸ auf sich hat wirken lassen¸ so muss nun auch Kritik angebracht sein. Der Roman sollte¸ ob seiner häufigen Standort- und teilweise auch Zeitebenenwechsel in einem Guss gelesen werden¸ damit sich der Leser nicht allzu sehr in diesen Wirren verirrt. Dies muss nicht unbedingt negativ sein¸ denn es gibt viele Leser¸ denen es ohnehin nicht schwer fallen dürfte¸ ein gutes Buch schnell "wegzufressen". Nur mag dieser Hinweis all denjenigen¸ die zur Gattung der Gelegenheitsleser und "Eben mal im Bus Leser" zählen¸ als Warnung gereichen¸ denn wie gesagt¸ man lässt sich allzu leicht verwirren und dann kann das Buch nicht in der positiven Weise wirken¸ wie es offensichtlich vom Autor konzipiert worden ist.
Eine Rezension von: Florian Kayser http://www.geisterspiegel.de