Rad aus Eis
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Vor fünfzig Jahren wurde von der BBC in Grossbritannien die Serie Dr. Who gestartet. Mit einer Unterbrechung von gut sechzehn Jahren¸ von 1989 bis 2005¸ wird die Serie dort ausgestrahlt und ist dort mehr als eine Science Fiction Serie¸ sie ist Teil der britischen Fernsehgeschichte und teil der dortigen Popkultur. Doktor Who ist dort Kult¸ in Deutschland eher eingefleischten Fans bekannt und dümpelt ansonsten im Bereich SF vor sich hin. In den Jahren spielten inzwischen elf Schauspieler den Doktor und prägten ihn nicht nur durch ihr Aussehen¸ sondern auch durch ihre Eigenheiten. Hinter dem Doktor verbirgt sich ein Time Lord¸ inzwischen über tausend Jahre alt und der letzte seiner Art. Der Doktor stammt vom Planeten Gallifrey¸ und ist in dem Raumschiff Tardis unterwegs¸ das einer britischen blauen Polizei-Notrufzelle gleicht. In seiner TARDIS ist er mit verschiedenen Gefährten durch die Zeit unterwegs und versucht Katastrophen zu verhindern. Dabei wendet der nimmermüde Forscher Gewalt nur an¸ wenn es gar nicht anders geht. Durch List und Tücke¸ einem nimmermüden Forschergeist und mit viel schwarzen¸ typisch britischen Humor¸ löst er seine Abenteuer.
Das Jubiläum ist für den Cross-Cult-Verlag Grund genug¸ den Zeitreisenden wieder in die heimischen Bücherregale zu bringen. Der Roman Rad aus Eis stammt aus der Feder von Stephen Baxter ¸ der in einer langen Reihe von Autoren¸ wie Douglas Adams und Ben Aaronovitch steht¸ und hat das Dr. Who-Abenteuer in Worte gefasst und Buchdeckel gepresst. Vor Rad aus Eis ¸ so der Titel des neuen Romans¸ wurden einige Doktor Who Romane ins Deutsche übersetzt und werden nur noch zu horrenden Sammlerpreisen angeboten. Das wird die relativ überschaubare Zahl an Fans aber nicht abschrecken¸ sie zu kaufen¸ sofern sie noch in der Sammlung fehlen. In der Sammlung fehlen dürfen natürlich auch Bausätze¸ Figuren und ähnliches nicht. So gibt es u.a. Daleks in verschiedenen Grössen und die Tardis findet sich als Papierbastelbogen im Internet.
Stephen Baxter nahm für seinen Roman den zweiten Doktor¸ der in der Serie von Patrick Troughton dargestellt wurde¸ als Vorbild. aus diesem Grund ist Doktor Who ein Mann Ende vierzig und wird vom Schotten Jamie McCrimmon aus dem achtzehnten Jahrhundert¸ angetan mit dem typischen Kilt und Zoe Heriot¸ einer Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts begleitet. Die TARDIS entdeckt in der Nähe eines Saturnmondes ein Loch in der Zeit¸ das zu einer direkten Kontinuumsimplosion führen kann und unser Sonnensystem kurzerhand vernichten könnte. Im Orbit um einen Saturnmond besteht eine frühe Minenkolonie in der das seltene Bernalium abgebaut wird. Die Mine und die Kolonie der Menschen im Rad aus Eis wird von einem fünfköpfigen Rat¸ der für die Angelegenheiten des Mnemosyne-Gürtels verantwortlich zeigt¸ regiert. Aber Fakt ist¸ Florian Hart¸ die örtliche Chefin des Bergbaukonsortiums hat das alleinige Sagen. Die Station¸ die aus einzelnen ausgedienten Raumschiffen¸ Raketenstufen oder Eisasteroiden zusammengesetzt wurde¸ ist in jeder Hinsicht Flickwerk. Auf dem Rat aus Eis¸ wie die Station daher genannt wird¸ leben die Menschen in vier Klassen. Diee erste ist der typische Geldadel¸ in zwei und drei leben die normalen Menschen und in der vierten die Verbrecher¸ die für jede dreckige Arbeit herangezogen werden¸ quasi Sklavenstatus haben. Aber auch hier läuft das Leben nicht friedlich ab¸ denn in der letzten Zeit werden vermehrt Sabotageakte in der Mine verübt. Verdächtigt werden die in der Mine Arbeitenden¸ doch Dr. Who und seine beiden Begleiter finden schnell heraus¸ dass in der Mine kleine blaue Wesen leben. Diese Lebensform wird aber von den Leitenden der Mine geleugnet. Der Doktor und seine beiden irdischen Begleiter versuchen¸ das Geheimnis¸ das die Station umgibt zu lösen. Dies entpuppt sich als keine leichte Aufgabe in einem Klima¸ das von gegenseitigem Misstrauen geprägt wird. für die Vorkommnisse sind dann auch schnell die Fremden der Tardis von den Bewohnern ausgemacht. Dr. Who und seine beiden Begleiter machen sich natürlich sofort daran¸ das Rätsel zu lösen. Aber sie fallen natürlich immer auf¸ denn sie passen nicht in das Farbschema der Kleidung. Die Menschen tragen¸ je nach Klassenzugehörigkeit unterschiedliche Farben. Somit sind die drei Neuankömmlinge immer als Fremde zu identifizieren.
Der Autor Stephen Baxter hielt sich mit seinem Roman streng an die Serienvorgabe¸ kurze Handlungsstränge¸ schnelle Wechsel der Schauplätze und ähnliches. Als eigenständiger Roman der innerhalb einer bestehenden Serie bestand haben muss¸ sind natürlich die Vorgaben der Fernsehserie zwingend vorgegeben. Vor allem dürfen¸ gerade bei Büchern die im Nachhinein geschrieben werden¸ keine logischen Fehler auftreten¸ die vor oder nach dem Buch bei den bestehende Fernsehfolgen für Ärger mit den Fans sorgen würden. Neben einer phantastisch-spannenden Handlung lässt es sich der Autor nicht nehmen¸ Sozialkritik zu üben und verschiedene Gesellschaftsstrukturen gegenüberzustellen. Hier treffen die Gesellschaftsformen des Doktors¸ der Rebellierenden und der Herrschenden aufeinander. Stephen Baxter nimmt manch eine Anleihe bei anderen Autoren¸ etwa Aldous Huxley oder Ray Bradbury. Das hier herrschende System steckt die Bewohner jedoch in einzelne soziale Kategorien¸ die sofort an der Farbe der Kleidung erkannt werden. Soziale Spannungen und auch Unruhen sind damit klar und deutlich vorgegeben.
Technisch gesehen ist die zukünftige Welt gar nicht so weit von unserer entfernt. Die Station erzeugt Schwerkraft durch Zentrifugalkraft¸ es wird alles¸ was der Mensch braucht und verbraucht wiederverwendet oder in hydroponischen Gärten selbst erzeugt¸ denn Nachschub kann nicht so schnell herangeschafft werden.
Stephen Baxters Roman ist geradlinig geschrieben¸ lässt sich zügig durchlesen und überzeugt durch Spannung und britischen Humor. Die erfolgreichste Fernsehserie¸ laut Guinessbuch der Rekorde¸ wird mit einem soliden Roman in Hardcoverqualität in diesem November gefeiert. Wer Dr. Who nicht kennt¸ hat etwas verpasst und kann es hier nachholen. Für die Fans der Serie bedeutet jede weitere Huldigung¸ Wasser in den Rhein schütten¸ soviel wurde bereits darüber berichtet.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355