Prothesengötter
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Seit April liegt die Kurzgeschichtensammlung¸ neudeutsch Collection genannt¸ dem willigen Leser deutscher Sprache vor. Mit einem künstlerisch gelungenem Titelbild von Carsten Dörr ist das Buch zumindest ein Augenschmaus.
Für den Verlag ist das Buch jedoch ein Wagnis¸ da seine Kurzgeschichten auch im Internet verbreitet sind und daher nichts neues bieten.
In einem Vorwort hatte ich gehofft etwas zu erfahren¸ warum die Kurzgeschichten in dieser Reihenfolge veröffentlicht wurden¸ warum er dies so oder so geschrieben hat. Aber nichts dergleichen. Statt dessen lässt sich Ronald M. Hahn über Leute aus¸ die meinen¸ sie wären Autoren. Leider nichts über Frank Hebben¸ sieht man mal von ein wenig Lobhudelei ab.
Die älteste Geschichte in dieser Zusammenstellung beginnt den Reigen der Kurzgeschichten¸ bis sie bei der Kurzgeschichte Omega endet. In der Zwischenzeit hatte der Leser genug Zeit¸ sich ein Bild von Franks Ideenreichtum¸ eigenem Charme und Stil zu machen. Memories: Eine hoffnungslose Welt. Erinnerungen werden getauscht. Die bösen¸ schlechten Erinnerungen will man loswerden¸ die Guten dafür eintauschen.
Im Labyrinth der Neonrose: Das Mädchen Céline mit den Schmetterlingsaugen aus MEMORIES¸ tritt hier auch wieder auf. Diesmal ist es weitaus gefährlicher auf der Suche nach Erinnerungen zu sein.
Gélee Royal: Die Geschichte erzählt von einem Wesen namens Tákeb¸ dass an einen Rollstuhl gefesselt war und sich dann in einer riesigen Werkshalle wiederfindet. Das verbindende Element der Geschichte ist jedoch eine künstliche Biene.
Die Wühler: Ilaine ist eine anmutige Künstlerin¸ deren Körper selbst Kunst ist. Krarik hingegen ist Arbeiter¸ der keine andere Aufgabe kennt und Ilaine bewundert. Leider sehr vorhersehbar.
Das Bild im leeren Rahmen: Lena ist eine tatkräftige junge Frau¸ die sich aus dem weltüberwachenden System ausklinken will. Ihr Freund soll auf sie aufpassen¸ während sie sich ins weltweite Netzwerk direkt einklinkt. Aber wie in allen Geschichten¸ geht auch das schief.
Marionettentheater: Köhler arbeitet für die Gesellschaft Biosys¸ die auch in der vorherigen Kurzgeschichte Erwähnung findet¸ wie Siemens. (Wir machen keine Reklame für eine Firma). Da man sich inzwischen mittels Konsolen in einen menschlichen Körper einklinken kann¸ haben Computerspiele einen besonderen Kick.
Off: Magdalena ist eine Frau die ständig im internationalen Datenstrom hängt. So lange online¸ bis die kabel mit dem umgebenden Gewebe verwachsen. In der Datenwelt¸ mit all ihren Vorteilen und Nachteilen¸ die dies hat. Bis hin zu Stromausfall.
Amethyst: Herr Kamari arbeitet mit modernsten Mittel und ist doch nur ein Mörder und Organsammler. Und Herr Kosth ist eine Art neuer Frankenstein.
002:32:45: Die Geschichte eines Stahlfalters¸ der doch nichts anderes zu sein scheint als das Ausführungsobjekt eines Fremden.
Exodus 1906 AD: Der Kaiser¸ ein Mensch der abdankt und nach ihm die Maschinengeneration.
Imperium Germanicum: Krieg¸ seit Jahrzehnten¸ Jahr um Jahr¸ und doch nur eine Simulation. Oder doch nicht?
Das Fest des Hammers ist der Schlag: Ein Kampf aber um was? Aussichtslos oder Erfolgreich¸ Ende offen¸ alles gut?
Omega: Mit Omega endet nicht nur ein Kampf¸ der Leser schöpft neue Hoffnung auf ein neues DANACH¸ während das Buch schliesst.
Manchmal hatte ich den Eindruck in Frank Hebben einen ewig gestrigen Cyberpunk-Anhänger der 1980er Jahre vor mir zu haben. Seine Erzählung sind originell¸ doch ein wenig zu Vergangenheitslastig. Es finden sich wenig neue Ideen.
Prothesengötter gehört als Kurzgeschichtensammlung zu einem zwiespältigen Lesevergnügen. Ist es jetzt¸ der bereits angesprochene ewig gestrige oder ist er jemand¸ der den Punk der Zukunft aus der Vergangenheit holt und dem Leser nur erneut bewusst macht? So ziemlich jede Erzählung ist eine unschöne Zukunft. Der Einzelne zählt allein nichts und nur in der Summe stellt er eine funktionierende Maschinerie dar. Diese Maschinerie zeigt jedoch auf¸ dass sie gegenüber richtigen Maschinen unterlegen sind. Immer.
Der Leser ist dem Autor Frank Hebben unterlegen. Der Autor weiss¸ was er will¸ der Leser nicht immer. Wenn schon kein Vorwort¸ dann doch wenigstens ein erklärendes Nachwort.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355