Paläo 1: Vor Adam
Eine Abenteuergeschichte über das Leben in der Eiszeit? Lebewesen in einem Stadium zwischen Affen und Menschen¸ die sich mit Lauten und Grunzen auf niedrigstem Niveau verständigen? Wer sich über den Unterhaltungswert einer solchen Geschichte noch nicht ganz im Klaren ist¸ dem geht es ähnlich wie mir - bevor ich den ersten Teil der Paläo-Serie Vor Adam gelesen habe. Meine größten Bedenken galten der Vermittlung der Eindrücke¸ denn als moderner Mensch weicht mein Erfahrungshorizont elementar von dem eines Urmenschen ab. Wenn also der Autor nicht alles aus dem Blickwinkel eines reinen Beobachters¸ sondern auch mal aus der Ich-Perspektive berichten will¸ wird die Sache entweder unrealistisch - als Urmensch kann man sich ja kaum moderner Vergleiche bedienen - oder unverständlich werden. Ugh¸ Ugh...
Dem Autor der vorliegenden Geschichte¸ Jack London¸ ist eine interessante Lösung für diese Herausforderung eingefallen¸ die zugleich eine wagemutige wissenschaftliche Theorie aufstellt: er leitet vom Vorhandensein des Falltraums (der Träumende fällt in die Tiefe und erwacht kurz vor dem Aufprall¸ eine Urangst der Baumbewohner¸ die vererbt wurde) beim modernen Menschen ab¸ daß nicht nur Überlebensinstinkte genetisch vererbt werden¸ sondern gleichwohl intensive Lebenseindrücke.
Der Erzähler beschreibt sich als besonderen Menschen¸ der seit seiner Kindheit von Träumen verfolgt wird¸ die nicht dem üblichen Wiederholungs-Typ entsprechen¸ sondern dem Träumer Visionen vermitteln¸ die nichts mit seinem eigenen Leben zu tun haben.
Nach einer Kindheit als verstörter Außenseiter¸ schafft es der Heranwachsende schließlich in der Vielzahl von Traumfragmenten eine Ordnung und chronologische Abfolge zu erkennen.
Über diese Geschichte-in-der-Geschichte darf der Leser schließlich in das Leben der frühen Menschen eintauchen - an den Lebenserfahrungen eines Menschen zwischen Primat und aufrecht gehendem Menschen teilhaben.
Wenn der Autor nicht diesen eleganten Weg gefunden hätte¸ wäre die Erzählung vielleicht nur halb so interessant gewesen. So macht es Spaß dem Erzähler zu folgen¸ wie er sich über die Einfältigkeit seines Urahnen aufregt¸ wie er die Brücken zwischen einem der Sprache unfähigen Urmensch und dem modernen Leser baut.
Es ist vielleicht angesichts der Zeitspanne von einigen hunderttausend Jahren zum Schauplatz der Geschichte kaum bemerkenswert¸ aber Jack London hat Vor Adam bereits 1907¸ also vor fast 100 Jahren veröffentlicht. Dies schließt natürlich aus¸ daß die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse eingeflossen sind. Aber ich betrachte diesen Roman ohnehin als Stück Unterhaltungsliteratur und weniger als wissenschaftlich korrekte Abhandlung.
Fazit:
Meine anfänglichen Bedenken gegenüber der früh-historischen Paläo-Romanenserie haben sich im Laufe der ersten zehn Seiten in Luft aufgelöst. Es gibt zähe und schlecht geschriebene Romane¸ für die ich Ewigkeiten zum Lesen benötige. Vor Adam habe ich in einem Rutsch mit gleich bleibender Begeisterung durchgelesen.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de