Nightmare Alley
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Eine Reihe von Dingen machen dieses Buch interessant. In erster Linie - die Sprache. Dieses Buch ist in der amerikanischen Sprache der ersten Hälfte des XX. Jahrhunderts geschrieben. Gresham hat ein scharfes Ohr und die Fähigkeit¸ zu Papier zu bringen¸ wie die Leute wirklich reden. Das Buch ist voll von Umgangssprachausdrücken¸ berufseigenen Ausdrücken¸ sowie psychiatrischen. Wörter und Ausdrücke¸ die Sie nicht oft im Druck finden werden¸ geschweige denn in der deutschen Übersetzung. Gleichzeitig wird das Leben selbst mit vielen Einzelheiten eingefangen¸ was dieses Buch sehr überzeugend macht. Es hat eine Vielzahl von Charakteren¸ einem abscheulichen Psychiater¸ einem Industriellen¸ der von „spirituellen“ Gaunern getäuscht wird¸ bis hin zu einem schwarzen Kommunisten¸ der in einem Kapitel wieder sehr anschaulich beschrieben wird. Jeder spricht in seiner eigenen Sprache: Polizist¸ Leichenbeschauer (was für eine Geschichte!¸ Psychiaterin...
Das Buch beschreibt ausführlich¸ wie „Gedankenleser“ arbeiten¸ bis hin zu hochrangigen „Spiritisten“¸ die betrügerische Séancen arrangieren¸ bei denen Menschen ihre verstorbenen Lieben treffen und die Opfer um all ihren Besitz betrügen.
Eine weitere Seite des Buches¸ die es wert ist¸ betrachtet zu werden¸ ist die Möglichkeit¸ einen Einblick in den - wahrscheinlich gequälten - Verstand des Autors selbst zu bekommen. Wie wir aus der Einführung lernen¸ war er Alkoholiker¸ auch er wurde von den damals sehr beliebten Lehren Sigmund Freuds beeinflusst. Es gibt viel Sexualität im Buch¸ wenn nicht sehr explizit - dann zumindest vorgeschlagen; die Prosa ist dicht mit sexuellen Sehnsüchten¸ Traumata und Verzweiflung. Zwei Hauptfiguren¸ Stan und Molly¸ erlebten beide in ihrer Kindheit sexuelle Handlungen¸ die Gresham als traumatisches Ereignis beschreibt. Im Allgemeinen ist Gresham im Natur- und Pflegestreit eindeutig sehr stark auf der Ernährungsseite. Das Leben seiner Helden ist¸ so der Autor¸ wegen dieser Erfahrungen in der Kindheit gebrochen. Ich frage mich¸ ob Gresham selbst so etwas als Kind erlitten hat.
Ich wiederhole - dieses Buch ist nicht angenehm¸ und ich finde es philosophisch nicht interessant¸ auch die Figuren sind eher eindimensional. Die Geschichte selbst und die Konstruktion dieses Buches sind gut¸ aber das Hauptinteresse liegt darin¸ eine Geschichte der Gesellschaft¸ der Sprache und der Denkweise der Menschen in bestimmter Zeit und an einem bestimmten Ort zu beschreiben. Und diese Aufgabe wird vom Autor mit großer Meisterschaft erfüllt.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355