Nachtlicht
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Das auslösende Ereignis war¸ wie der Leser nach und nach erfährt¸ dass er seine Mutter auf ihren eigenen Wunsch mit einer Axt erschlug¸ um sie vor einer weiteren Folter durch einen gewissen Asrubel von Urd zu bewahren. Das ganze Buch hindurch existiert keine durchgängige Geschichte¸ sondern immer wieder kommt es zu Brüchen¸ die kaum einen erkennbaren Sinn ergeben¸ sondern vielmehr den Eindruck entstehen lassen¸ dass der Autor auf einmal etwas ganz anderes vorhat. Immer wieder gibt es Episoden¸ die im Nichts enden bzw. sehr viel Luft um nichts machen. Da kommt es zu einer Ebene mit Personen¸ die lang und breit erklärt und aufgebaut und dann von einen Moment auf den anderen abserviert werden. Das führt dazu¸ dass der Leser sich ständig neu orientieren muss und sich nie richtig auf die Geschichte einlassen kann. Es gibt aber auch Ereignisse und Entwicklungen¸ die lange und umsichtig aufgebaut werden. Doch dann erreichen sie den Punkt¸ für den sie geschaffen wurden¸ und dann fallen sie einfach aus der Handlung heraus. Das wäre ja weiter kein Problem¸ wenn es sich dabei um nebensächliche Dinge oder unwichtige Nebencharaktere handeln würde¸ aber leider kommt dies auch beim Hauptcharakter vor. Das führt dann doch dazu¸ dass der Eindruck entsteht¸ der Autor habe sich hier nicht besonders intensiv um seine Geschichte gekümmert. Zudem sind einige ganz klare inhaltliche Fehler drin¸ die eigentlich vom Übersetzer oder spätestens vom Lektor hätten abgefangen werden müssen. Ich spreche hier jetzt nicht von Dingen¸ die mir einfach nicht gefallen haben¸ sondern wenn der Junge aus dem Krankenhaus entlassen wird und zwei Kapitel später von seinen Pflegeeltern in eben jenem besucht wird¸ dann steht hier keine Interpretation mehr zu Buche¸ sondern dann ist das einfach ein faktischer Fehler.
Wie schon angedeutet¸ sind die wichtigsten Charaktere wie die Handlung: Sprunghaft und nicht selten kaum nachzuvollziehen. Mal davon abgesehen¸ dass sowieso nur zwei von ihnen eine wahrnehmbare Entwicklung durchmachen. Sie werden in die Handlung ein- und schnell wieder ausgeführt¸ allzu oft ohne einen besonderen Eindruck zu hinterlassen. Kaum haben sie ihre Funktion erfüllt¸ werden sie einfach fallengelassen - ohne ein Wort des Kommentars oder der Erklärung. Eines der wenigen Highlights¸ die dieser Roman dann doch irgendwo zu bieten hat¸ ist die Gesellschaft¸ in der er spielt. Sie ist mit allerletzter Konsequenz auf Prestige ausgerichtet. Die Hauptbeschäftigung der Menschen ist es¸ in die verschiedenen Clubs aufgenommen zu werden und damit das eigene Prestige zu erhöhen. In diesem System gibt es allerdings auch die "Nimps": Menschen¸ die nicht nach Prestige¸ sondern nach ihrer eigenen und individuellen Entfaltung streben. Zu jenen gehören auch Jaro und seine Pflegeeltern. Jaro befindet sich zudem oft im Konflikt mit Skirlet¸ die einem der höchsten Clubs angehört. Zwischen ihnen gibt es eine seltsame Anziehungskraft¸ und schnell wird klar¸ wohin dieses Spiel am Ende führen muss.
Wirr und durcheinander¸ das sind für mich die Wörter¸ die diesen Roman am besten beschreiben. Nur der Rahmen der Geschichte macht einigermassen Spass; die meisten Charaktere vermögen jedoch ebenso wenig zu begeistern wie der Rest der Handlung. Ich will nichts deuten¸ was ich nicht belegen kann. Trotzdem habe ich manchmal den Eindruck¸ Jack Vance schreibt einfach aus seinem Leben¸ verpackt seine Zeit an der Highschool in eine Science Fiction Geschichte¸ packt ein wenig elitäres Gehabe dazu und fertig ist die Erzählung. Und das obwohl gerade diese Erzählung so hoch gelobt wird. In den Niederlanden erschien dieses Buch in Welterstveröffentlichung¸ da er in Europa noch einen besseren Ruf geniesst¸ als zu hause in den Vereinigten Staaten von Amerika. Vielleicht liegt es auch daran¸ dass NACHTLICHT zu sehr anderen Romanen von Herrn Vance ähnelt. (Zum Beispiel KALEIDOSKOP DER WELTEN).
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355