Nacht der Wassermelonen
Der Same einer Jungfrau
"Wir erzählen gerne Geschichten. Vielleicht lüge ich dir gerade was vor¸ wer weiß? Das ist einfach so eine Eigenart von uns. Nichts ist so groß oder so laut oder so blau oder so weich¸ wie wir behaupten [...]Die Wahrheit ist wie ein Fisch¸ findest du nicht? Sie flutscht einem ständig durch die Finger. Deshalb strengen wir uns gar nicht erst groß an¸ und amüsieren uns über die Idioten¸ die's versuchen und sich dabei mächtig naßspritzen."
Thomas ist achtzehn und besucht erstmals seine Geburtsstadt Ashland¸ die "Hauptstadt der Wassermelonen". Er will wissen¸ wo er herkommt¸ seine Mutter ist bei der Geburt gestorben und Thomas wuchs bei dem Großvater auf.
Jeder in Ashland weiß etwas über Thomas Mutter Lucy Ryder und darüber¸ wie sie in der kleinen Stadt das Unterste nach Oben kehrte. Und vor allem¸ wie sie die Wahl des Melonenkönigs verhinderte. Denn jedes Jahr wurde in Ashland ein junger Mann¸ der Jungfrau sein mußte¸ zum König gewählt¸ mit einem Zepter aus einer Melonenschale und wurde am Abend auf den Melonenfelder entjungfert¸ um die Fruchtbarkeit der Felder zu sichern.
Daniel Wallace mischt mythisches mit realem¸ stellt uns zahlreiche Personen vor¸ aber hat am Anfang immer wieder Mühe¸ den Leser zu fesseln. Zu sehr wirkt die Geschichte wie ein Skelett. Erst ab der Hälfte zieht sie einen in Bann¸ dann aber gründlich. Und am Schluß versöhnt er den Leser¸ der eifrig hin und her blättert¸ um alle die Verbindungen herzustellen¸ die den Schluß wieder mit dem Anfang verbinden.
So ist es auch der Schlu߸ der den Roman rettet¸ denn am Anfang ruckelt die Geschichte doch manchmal arg. Trotzdem lesenswert wegen der wundervoll tragisch-mythischen Auflösung.
Über den Autor
Daniel Ashland wurde 1959 in Birmingham/Alabama geboren¸ studierte¸ verließ die Uni kurz vor dem Abschluß und arbeitete unter anderem als Illustrator für T-Shirts und Postkarte n. Heute lebt er in Chapel Hill/North Carolina. 1998 veröffentlichte er seinen ersten Roman Big Fish¸ einen internationalen Bestseller¸ der 2003 verfilmt wurde. Anfang April kommt die deutsche Fassung in die Kinos.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de