Morbus Konstantin
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
London im Jahr 1864 ist eine Stadt im Umbruch. Eine seltsame Krankheit¸ Morbus Konstantin genannt¸ hält die Stadt im unbarmherzigen Griff. Sie tötet und erneuert zugleich. Diejenigen¸ die getötet werden haben es hinter sich¸ das Leiden¸ die anderen werden ihr Leben lang darunter zu leiden haben¸ durch die Krankheit verändert worden zu sein. Denn plötzlich werden aus Männern Frauen und aus Frauen Männern¸ weil der Mensch krankheitsbedingt das Geschlecht ändert. Die Menschen sind betroffen¸ in der Gesellschaft werden sie nicht recht anerkannt und die Krankheit führt zu Tumulten.
Auch die Stadt und die Umgebung ändern sich¸ etwa mit den Säuremonster in der Themse. Aber auch die Moderne hält Einzug in die Stadt. Technische Wunderwerke wie mechanische Kurtisanen und die alchimistischen Feuer Whitechapels¸ elektrische Kutschen und anderes mehr.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Adlige Pembroke Halliday¸ kurz Pimm genannt. Wie viele Adlige hat er nicht wirklich viel zu tun und so geht er seinem Hang zur Kriminologie nach. Seine scharfe Beobachtungsgabe nutzt er um anderen Menschen behilflich sein. Aber diese Aufmerksamkeit¸ die er an seine Umgebung richtet¸ kommt nicht jedem zupass¸ während die Polizei gerne die Hilfe in Anspruch nimmt. Doch Pembroke hat ein kleines Problem. Es ist sein ehemaliger Freund Freddy¸ der jetzt als seine Frau Winifred mit ihm zusammen lebt. Er ist nach dem Fieber von Morbus Konstantin zu Lady Pembroke wurde.
Ihm zur Seite steht Eleonore Irene Skyler¸ eine furchtlose Journalistin¸ deren hochnoble und selbstgestellte Aufgabe es ist¸ die Wahrheit aufzudecken¸ ja sogar ans Licht zu zerren¸ wenn sie sich weigert. Als Frau aber nicht ganz anerkannt schreibt sie unter der falschen Bezeichnung Mr. E. Skye. Die Gleichberechtigung in der viktorianischen Zeit hatte sich noch nicht durchgesetzt. Ihre Tätigkeit als Journalistin ziemte sich bestimmt nicht für eine anständige Frau.
Lord Halliday lernt den angeblichen Mr. Skye kennen und stellt fest¸ dass sie eine recht attraktive Frau ist. Gemeinsam werden sie in eine finstere Intrige verwickelt¸ die auf der einen Seite die Adligen und auf der anderen Seite die Londoner Ganoven betrifft. Denn anscheinend stecken der berüchtigtste Verbrecherboss¸ Able Value¸ der Stadt und der neue Geliebte der Königin in Verbindung bringt. Das gefällt dem berühmten Wissenschaftler Sir Bertram Oswald ganz und gar nicht. Dennoch kommen Freddy und Ellie in den seltsamen Genuss¸ von Automatenfrauen gefangen und zu ihm gebracht zu werden.
Das Buch beginnt jedoch mit dem Wissenschaftler Adam und seinem Kellerlabor¸ wo er seine Experimente durchführt. Junge getötete Frauen liegen auf seinem Operationstisch und werden frei nach den Experimenten von Frankenstein¸ zu willigen Sklaven. Und doch hängt alles zusammen.
Tim Parr zeigt in MORBUS KONSTANTIN wie man fast spielerischh die historisch verbürgte Geschichte mit literarischer Phantasie verbindet. Seine Figur des adligen Hobby-Ermittlers erinnert stark an Sherlock Holmes. Beide sind genaue Beobachter¸ beide sind von Drogen abhängig und beide haben einen Partner¸ der bei der Aufklärung des anstehenden Falles hilft.
Die Steampunkerzählung ist ein sehr gut erzählter Krimi und es gefällt mir sehr gut¸ wie Wirklichkeit und Phantasie mit der Kriminalgeschichte in Einklang geraten¸ ohne sich gegenseitig zu beeinträchtigen. Gleichzeitig nutzt der Autor die Literatur der damaligen Zeit¸ um das Ambiente besser zu beschreiben und nimmt auch die Vorrausetzungen des englischen Schauerromans auf.
Tim Pratt schreibt so¸ wie ich mir Steampunk-Krimis vorstelle.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355