Moon Knight: Willkommen im neuen Ägypten
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Marc Spector ist sich nicht sicher¸ wer er wirklich ist¸ denn er hat mehrere Identitäten. Auch seine ebenfalls hier eingesperrten Patienten sind¸ wohl nicht das¸ was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Statt ruhig gestellte Patienten und Pflegekräfte erkennt er in ihnen ehemalige Verbündete oder gar Liebschaften¸ als da wären Jean-Paul „Frenchie“ DuChamp¸ ein begnadeter Pilot und Kampfsportler¸ Gena Landers die einen Imbiss führt¸ seine Liebe Marlene Alraune und der Informant Bertrand Crawley. Wobei bei diesen Namen schon jede Menge Anspielungen zu finden sind. Oder aber Gegner. Dann erfährt er¸ seit seinem 12ten Lebensjahr ist er hier eingesperrt und seine Abenteuer sind Wahnvorstellungen¸ in denen die anderen Patienten eine Rolle spielen. Glaubt er endlich zu Wissen in welcher Wirklichkeit er sich befindet¸ taucht in wiederkehrenden Visionen der skelettköpfigen Gott Khonshu auf. Dieser versichert ihm¸ dass er sich nicht in einer Irrenanstalt¸ sondern in der Gefangenschaft eines feindlichen Gottes befindet. Mit dieser Aussage sind natürlich alle Therapieerfolge dahin.
In der Flucht aus der Irrenanstalt sieht er seine einzige Rettung.
Der bekannte kanadische Autor Jeff Lemire versteht es sehr gut¸ den irren Typ dem Leser nahe zu bringen¸ indem er ein spannendes¸ abwechslungsreiches Abenteuer erzählt.
Selbst der Leser schwankt in der Betrachtung von Marc „Moon Knight“ Spector¸ ob dieser nun Wahnsinnig ist oder nicht¸ - oder eher der Leser?
Willkommen im neuen Ägypten ist ein Neuanfang und so kann der weissgekleidete Rächer¸ im Gegensatz zum schwarzgekleideten Rächer ein neues Leben (das wievielte? beginnen.
Das Vorliegende Heft mit Klappbroschur versammelt die ersten fünf Ausgaben der mittlerweile achten. Sicher ist Moon Knight kein Held im klassischen Comic-Sinne von Marvel oder DC. Er erinnert stark an Batman¸ vor allem¸ wenn er in seine Identität als Millionär Steven Grant schlüpft.
Mit Jeff Lemire als neuer Autor der neugestarteten Reihe wird man überrascht¸ wie gut sich der Autor in die Figur des Spector hineinversetzen kann. Die Intensivität und Intimität¸ die Lemire erzeugt ist hervorragend¸ denn man fühlt mit dem Protagonisten förmlich mit. Dem Wahnsinn des Marc Spector kann man sich nicht entziehen. Genau wie er¸ zweifelt der Leser an der Wirklichkeit und möchte wissen¸ was denn nun die wirkliche Wirklichkeit ist. Doch so einfach macht es uns der Autor nicht. Der Comic ist in vieler Hinsicht Doppel- ja gar Mehrdeutig. Greg Smallwood als Hauptzeichner entzieht den Leser die Grundlage¸ baut mit den Effekten des französischen Noir-Krimi und vielen mythisch-ägyptischen Elementen eine neue Grundlage auf und dennoch bleibt der Leser verunsichert zurück. Jeff Lemires Idee ist angenehmҠ weil er jede Menge Platz für eigene Überlegungen lässt¸ wenn Moon Knight sich wieder einmal aufmacht¸ und eine Flucht organisiert. Die Logik des Autors ist jedoch¸ eben diese scheitern und den Leser im Ungewissen zu lassen¸ ob bei dem Versuch sich die Häscher eines bösen Gottes oder nur überforderte Pfleger ihre Plicht erledigen und den Insassen an der Flucht hindern.
Ein sehr schönes Bild¸ ist das¸ wo er versucht¸ sich den farbig gehaltenen Teil des Kopfes wie eine Maske abzuziehen. Darunter bleibt es weiss. Die Leere darstellend¸ in der er sich selbst sucht und (nicht findet oder einfach nur die reine Unschuld.
Egal wie¸ die Zeichnungen¸ abwechslungsreich¸ stimmungsvoll und in unterschiedlichen Stilen¸ sind sehenswert. Es lohnt sich¸ manchmal länger damit zu verbringen.
Moon Knight – Willkommen im neuen Ägypten ist eine neue Serie¸ die den Superhelden-Lesern zusagt¸ die gern etwas andere Geschichten und experimentiervolle Zeichnungen sehen wollen. Der Band ist eine wahre Augenweide.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355