Meister des Humors
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Die beiden Autoren José-Loius Bocquet und Eric Verhoest unternehmen mit dem Leser eine Zeitreise nicht nur durch die speziellen Comicwelten Franquins¸ sondern auch ein wenig durch die Comic-Geschichte der letzten 50 Jahre überhaupt. Eindeutig steht jedoch der Belgier im Vordergrund. In zeitlich exakter Reihenfolge gehen die beiden Autoren vor. In ihren Texten ordnen sie Franquin mit seinen Werken ein¸ präsentieren Bild und Fotos von ihm¸ zeigen die Comics in verschiedenen Varianten¸ Skizzen Titelbilder¸ angefangen von der Idee bis zum fertigen Bild. Wichtig und interessant ist dabei¸ in welchem politischen Zusammenhang die Zeichnungen entstanden. Der kalte Krieg und der Fall der Mauer in Deutschland sind sicherlich prägende Ereignisse. Nur selten finden zwei Länder friedlich und ohne Krieg zueinander.
Bestechend oder besser gravierend sind die vielen Originalzeichnungen und Fotos¸ die dieser Werkschau ein unvergleichliches Leben einhauchen. José-Loius Bocquet und Eric Verhoest sprachen mit zahlreichen Wegbegleitern des Künstlers und liessen den Comic-Welten-Erbauer auch möglichst selbst zu Wort kommen. Sie erklären¸ die Autoren¸ wie auch der Autor selbst und letztlich auch dessen Sprechblasen¸ in einem comichistorischen Zusammenhang seine Weltsicht. Viele der Fotos¸ hauptsächlich schwarz-weiss¸ zeigen Franquin mit Zeitgenossen. Sei es ein Treffen mit den Kollegen Jijé oder Greg¸ mit Morris oder der Ehefrau von Eddy Paape oder¸ oder¸ oder. Sicherlich sind aber die Fotos von ihm am Arbeitsplatz die interessantesten. Wenn auch oft gestellt¸ zeigt sich an dem¸ was auf dem Tisch und drumherum zu sehen ist¸ woran er arbeitete. In vielen der Bilder springt den Leser der Humor entgegen und oft genug ist man geneigt¸ statt ihn Gaston zu erkennen.
Das Interessante am Buch ist¸ Franquins Entwicklung als Autor und Zeichner nachzuvollziehen. Er begann mit den ersten Spirou -Seiten im Jahr 1948¸ der zweite Weltkrieg war noch nicht lange vorbei bis zu den letzten Gaston-Seiten¸ noch bis zu seinem Tod 1997 entwickelt und im Jahr 1999 veröffentlicht. Fünfzig Jahre Franquin waren 2017 auch fünfzig Jahre Carlsen Verlag. Ein halbes Jahrhundert¸ nicht immer freies¸ Schaffen.
Ein Schwerpunkt liegt natürlich auf der Serie Spirou und Fantasio¸ die er übernahm und wohl nicht immer glücklich damit war¸ dass es nicht seine Figuren waren¸ die den Comic repräsentierten. Dennoch gelang es ihm ihnen seinen Stil aufzuprägen und mit dem „Universum“ der Nebeenfiguren eine eigenständige Comicwelt zu erschaffen. Als er mit seinem Phantasiewesen Marsupilami ein Tier einführte¸ das nebenbei auftreten sollte¸ ahnte er bei dessen Geburt sicher nicht¸ dass es eine eigene Serie bekommen würde¸ Zeichentrickfilme und die eigentlichen Akteure Spirou und Fantasio in den Schatten stellten. Dieses Universum nimmt natürlich einen Grossteil des Inhalts ein. Aber auch die anderen¸ wie Gaston¸ Mausi und Paul oder gar seine berühmten Schwarzen Gedanken bleiben nicht unerwähnt. Im Gegenteil sie gehören zu ihm¸ wie sein Schatten an der Wand. Dann gibt es noch die Serie Isabella¸ für die er nur die Geschichten erfand¸ Herr Schüreisen mit seinem Erzfeind¸ dem Maulwurf und andere mehr. Eher wenig beachtet¸ aber doch schön.
In vielen Kapiteln¸ die sich an der zeitlichen Reihenfolge der Comics Franquins orientieren¸ ist mitzuerleben¸ die Erzählungen und Zeichnungen immer ausgereifter wurden. Aber auch sein Gemütszustand lässt sich an vielen Zeichnungen ablesen.
Und manchmal¸ nur manchmal¸ hatte ich den Eindruck¸ seine zynischen Schwarzen Gedanken sind ernst gemeint. Bei den Schwarzen Gedanken handelte es sich um kurze¸ einseitige Gags mit sehr schwarzem Humor. die Franquin ab 1977 in der Magazinbeilage Trombone Illustré herausbrachte. Die bitterbösen und zeitkritischen und nur in schwarz-weiss¸ ohne Grautöne¸ gehaltenen Gags gerieten zu seinem Hauptwerk. Zumindest aus meiner Sicht. Für mich sind seine Schwarzen Gedanken ein Glanzlicht der Comickunst. Welch ein paradox.
Wer André Franquins Werk nicht kennt¸ kann es mit diesem Buch ausführlich in Form der zeithistorischen Entstehung kennenlernen. Gleichzeitig ist es auch eine fast intime Begegnung mit einem Künstler¸ der zwanzig Jahre nach seinem Tod immer noch Zeichner und Leser beeinflusst.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355