Lucy
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Die Flucht nach Amerika gelingt. In Chicago will Jenny sich um lebende Verwandtschaft von Lucy in England kümmern¸ wird aber herb enttäuscht¸ als die Suche erfolglos bleibt. Auf der Suche nach weiteren Informationen beginnt Jenny¸ in den Tagebüchern Donald Stones zu forschen. Was sie dort zu lesen bekommt¸ kann sie nicht glauben. Lucys Vater führte Versuche mit einem Bonoboweibchen durch¸ um zu beweisen¸ dass beide Rassen¸ Menschen wie Gorillas¸ miteinander Kinder zeugen können. Jenny erfährt die schreckliche Wahrheit¸ nämlich das Lucys Mutter eine Bonobo ist. Um Jennys Geheimnis zu hüten¸ adoptiert sie Lucy und nimmt die Mutterrolle ein. Während das Leben für Jenny ihren gewohnten Gang geht¸ findet Lucy im Grossstadtdschungel eine neue Herausforderung. Es dauert eine Weile¸ bis Lucy soziale Kontakte schliesst¸ aber das ist als Neuling an einer Schule nicht ungewöhnlich. Einmal von ihrer Naturverbundenheit abgesehen¸ scheint Lucy ein ganz normales Mädchen zu sein. Mit ihrer neugewonnenen Freundin Amanda unternimmt sie typische Mädchensachen.
Das eigentliche Problem liegt jedoch nicht darin¸ dass Jenny als Mutter überfordert ist¸ sondern in der Tatsache begründet¸ dass das Mädchen ein Zwitterwesen ist. Halb Mensch und halb Menschenaffe gehört es eigentlich zu keiner Spezies. Als man hinter das Geheimnis kommt¸ welches verzweifelt gewahrt werden soll¸ wird aus dem Buch doch noch ein Spannungsroman. Leider ist der Teil eines typischen Thrillers sehr kurz gehalten.
Der Grossteil der Geschichte nimmt Lucys Anpassung an neue Verhältnisse in Anspruch. Die Klischees¸ deren sich Laurence Gonzales bedient¸ sind sehr einfach gehalten und oberflächlich dazu. Zum Glück neigt der Autor nicht dazu¸ seine Hauptpersonen ebenso handeln zu lassen. Laurence Gonzales Buch vermag den Leser recht nicht sonderlich lange am Lesen zu halten. Dafür neigt man einmal mehr zum Nachdenken anregt.
Der sehr bildliche Schreibstil von Laurence Gonzales ist zu Anfang kraftvoll¸ eindringlich und fesselnd. Leider schwächelt er im Laufe der Zeit und nimmt immer mehr ab. Am Anfang der Erzählung wird der Leser in die Fremdartigkeit des Dschungels entführt. Handlung wie auch die Beschreibung der Handlungsorte und Handlungsträger ist sehr plastisch und wirklichkeitsnah. Gerade das Mädchen Lucy wirkt dabei wie ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Sie ist ein Mensch¸ den man gern haben muss und dessen Hauptaugenmerk auf der Harmonie des sozialen Zusammenlebens liegt. Um so erschreckender muss der Zusammenprall des Landmädchens Lucy mit der Grossstadt sein. Die moderne Geschichte erinnert an Sheena¸ Königin des Dschungels oder an Liane¸ das Mädchen aus dem Urwald. Gleichzeitig verbinde ich mit dem Buch Erinnerungen an den Film Gorillas im Nebel ¸ ein Spielfilm aus den USA (1988¸ der auf der wahren Geschichte der Zoologin und Verhaltensforscherin Dian Fossey und ihren Studien zum Verhalten von Gorillas aufbaut. Laurence Gonzales versucht sich mit philosophischen Einschüben¸ um den Leser zum Nachdenken anzuregen.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355