Lovedeath - Liebe und Tod (12)
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Held der Geschichte ist der Versicherungsvertreter und Vater von Caroline¸ mit der er nach Boulder in den Urlaub fährt. Die Erzählung hält einen melancholischen Unterton¸ weil sich der Vater mit der Liebe zu seiner Tochter zu viele Sorgen um sie macht. Liebe heisst auch¸ loslassen zu können¸ der Geliebten ihre Freiheit zu lassen und nicht in einen goldenen Käfig der Gefühle zu zwängen. Dan Simmons beschreibt die feinen Gefühle und zeigt¸ dass er durchaus auch mehr als Horror schreiben kann.
Tod in Bangkok
erhielt 1994 den Bram Stoker Award als beste Horror-Novelle. Sie führt den amerikanischen Arzt Merrill nach Thailand. Sein Besuch des Rotlichtviertels führt ihn in Gedanken immer wieder zurück zu seinem ersten Besuch in Bangkok. Damals war er mit seinem Freund Tres auf einem Vietnam-Urlaub hier Station machte. Sie erlebten eine sehr seltsame sexuelle Ausschweifung¸ die letztlich seinem Kumpel das Leben kostete. Dan Simmons beschreibt die Atmosphäre des Rotlichtviertels so¸ als käme er gerade dort heraus. Er spart nicht an sexuellen Szenen und seine Vergangenheitsschau erweist sich immer an der richtigen Stelle. Dadurch wird Dr. Merrill zu einer fast wirklichen Person.
Allerdings bin ich der Meinung¸ diese Erzählung bereits schon einmal gelesen zu haben. Leider weiss ich nicht mehr wo. Vielleicht kann mir ja ein Leser des phantastischen Bücherbriefes die Kurzgeschichtensammlung nennen.
Sex mit Zahnfrauen
ist anscheinend eine alte Erzählung der nordamerikanischen Lakota-Sioux-Indianer. Ein Indianer berichtet über ein Erlebnis¸ das einer seiner Vorfahren erlebt haben will. Lahmer Dachs¸ so der Name des Indianers bringt sich aus Liebe in eine peinliche Situation. Er wird dazu bestimmt¸ er sei der neue Heilige Mann und die Geister sollen ihm eine Halluzination schenken¸ die sein weiteres Leben entscheiden soll. Der Nachteil dieser Erzählung ist¸ dass er etwas langweilig wirkt und mit den vielen indianischen Begriffen den Lesefluss hemmt. Das Märchen ist für mich die Schwächste der fünf Erzählungen.
Flashback
Die Vereinigten Staaten werden inzwischen von den Japanern kontrolliert¸ die auch wie die Europäische Union¸ die USA in der Weltbedeutung weit nach hinten geschoben haben. Die Staaten erinnern an einen riesigen Slum¸ wo sich die Bewohner mit der Drogen namens Flashback vergnügen. Entweder als Händler oder als Konsument. Die Kriminalität hat daher auch erschreckende Masse angenommen¸ da die Droge irgendwie bezahlt werden muss. Die Gerichtsstenotypisten Carol erinnert an die erste Erzählung¸ hat einen fünfzehnjährigen Sohn. Ihr Vater Robert erinnert sich ständig an falsche Kennedy-Attentate¸ während sie sich mit der Droge an Erinnerungen an ihren Mann hingibt¸ der sie vor Jahren verlassen hatte. etwas verstörend beim Lesen ist¸ dass die Erzählung ständig zwischen diesen drei Personen hin und her springt. Dan Simmons hält die düstere¸ hoffnungslose Stimmung in der Erzählung bis zum Ende durch. Wobei ich manchmal den Eindruck habe¸ er kennt in dieser Welt selbst das Wort Hoffnung nicht.
Der grosse Liebhaber
ist mit seinen gut 140 Seiten die längste Erzählung. In dem erfundenen Kriegstagebuch von James Edward Rooke wird der erste Weltkrieg mit all seinem Schrecken erzählt. Und zwar in grausamen Einzelheiten. Dadurch wird zwischen dem Tagebuchschreiber Rooke und dem Leser eine grosse Wand aufgebaut. Der Abstand zwischen ihnen ist fast unüberwindlich. Er hinterlässt bei mir eine ungute Stimmung. Dan Simmons verdichtet den Krieg auf wenige Seiten¸ die den Leser trotz des literarischen und auch zeitlichen Abstandes¸ sehr deutlich daran teilhaben lässt. Die Trennung zum Tagebuchschreiber lässt den Leser aber auch gleichzeitig aussen vor. Es fällt schwer¸ sich wirklich in die Person hinein zu versetzen und so zur eigenen Gleichsetzung zu bekennen.
Die fünf Erzählungen erlaubte es dem Autoren¸ sich in einer Weise mit seinen Kurzgeschichten zu beschäftigen¸ die es ihm in Romanen nicht möglich ist. Er kann seine Erzählungen so in Form bringen¸ wie er es für richtig hält¸ ohne auf Regeln achten zu müssen¸ die einen Roman ausmachen. Er probiert verschiedene Stile aus¸ die mal mehr¸ mal weniger Gelungen sind. Er arbeitet mit Einschüben und Erinnerungen¸ mit Rückblenden und Verzögerungen und setz diese zielgerichtet um. Dan Simmons zeigt¸ dass er nicht nur Romane schreiben kann.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355