Love
"Für die Öffentlichkeit sind die Ehefrauen berühmter Schriftsteller praktisch unsichtbar¸ und niemand wusste das besser als Lisey Landon. Ihr Mann hatte den Pulitzerpreis und den National Book Award gewonnen¸ aber Lisey hatte in ihrem Leben nur ein einziges Interview gegeben: für die bekannte Frauenzeitschrift¸ in der die Artikelserie 'Ja¸ ich bin mit ihm verheiratet¸ erscheint."
Scott Landon¸ der berühmte Schriftsteller ist tot. Seit Jahren¸ doch seine Frau Lisey hat sein Büro¸ seine Notizen und die Büchersammlung bisher nicht angerührt. Dabei stehen die Literaturwissenschaftler Schlange¸ um einen Blick auf Scotts Nachlass zu werfen. Besonders einer¸ Professor Woodbody von der Uni Pittsburgh. Inkuks nennt Lisey diese Leute bei sich¸ die nie verstanden hätten¸ was Scott meinte¸ wenn er vom "Pool¸ aus dem wir alle trinken" sprach.
Jetzt scheint die Zeit gekommen¸ doch endlich mal Ordnung zu schaffen. Aber die Beschäftigung mit seinem Nachlass lässt Scott wieder lebendig werden und damit auch all die Ereignisse¸ die Lisey am liebsten vergessen hätte. Nicht¸ dass sie nicht glücklich verheiratet waren. Aber da gab es soviel Horror rund um Scott. Den Verrückten¸ der ihn niedergeschossen hatte. Scott selbst¸ der sie mit blutigen Händen besucht hat. Und natürlich der "Pool¸ aus dem wir alle trinken"¸ die Quelle von Scotts Ideen und Romanen¸ die gleichzeitig auch eine kräftig sprudelnde Quelle ist¸ aus der Lisey und Scott viele eigene Wortschöpfungen geholt hatten.
Sich an all das zu erinnern¸ fällt Lisey schwer. Und dann ist da der Telefonanrufer¸ der sie bedroht. Wenn sie nicht binnen vierundzwanzig Stunden Professor Woodbody den Nachlass überlässt¸ dann wird er ihr wehtun. An den Stellen¸ an die sie die Jungs auf den Highschool-Bällen nie rangelassen hat.
So muss Lisey sich zurückerinnern an die Zeit mit Scott. Und eine Spur verfolgen¸ die er selbst für sie gelegt hatte. Als er noch lebte. Und sich erinnern¸ dass der Pool¸ aus dem wir alle trinken¸ ein realer Pool ist¸ wenn auch nicht aus dieser Welt.
Stephen King läuft in diesem Roman wieder zu seiner Höchstform auf. Wer sich je fragte¸ warum die Leute ihm auch mittelmäßige Romane aus den Händen reißen¸ findet hier die Antwort. Eine berührende Liebesgeschichte¸ aber auch eine bedrückende Rückschau auf eine grausame Kindheit¸ eine Reflektion¸ warum manche Leute schreiben müssen und darauf¸ woher sie ihre Geschichten nehmen. Am ehesten vergleichbar mit seinem "A Back of Bones"¸ aber doch ganz anders - und keineswegs autobiografisch¸ wie manche Rezensenten glauben¸ die aus der Tatsache¸ dass sie selbst keine Phantasie haben¸ folgern wollen¸ dass dies für alle gelte.
Dabei beginnt der Roman langsam¸ ist anfänglich gar kein Pageturner¸ fesselt aber dennoch. King ist Meister darin¸ seinen Leser zu beweisen¸ dass Spannung mehr ist als gefährliche Monster¸ dass man langsam erzählen kann und gerade damit Spannung aufbaut. Ein Horrorroman¸ gewiss¸ aber auch ein Roman über eine große Liebe¸ ein Familienroman¸ einer über die Trauer und¸ natürlich¸ einer über das Schreiben¸ über Schriftsteller und über den Pool¸ aus dem wir alle trinken.
Einziger Wermutstropfen ist die deutsche Übersetzung¸ die teilweise sehr holprig ist¸ vor allem¸ wenn sie versucht¸ Südstaatenslang zu vermitteln. Wer Englisch lesen kann¸ sollte unbedingt zum Original greifen.
Ansonsten gibt es nur ein Fazit: Unbedingt lesen!
Über den Autor: Stephen King wurde 1947 in Portland geboren¸ studierte Englisch an der Universität von Maine und arbeitete erst in einer Wäscherei¸ dann als Lehrer¸ bis er mit seinen Horrorromanen zu einem der erfolgreichsten Autoren überhaupt wurde. Er hat unzählige Bücher geschrieben¸ darunter "A bag of bones"¸ "The Stand"¸ "Es"¸ "Shining" und "das Attentat".
Heute lebt er mit seiner Frau¸ der Schriftstellerin Tabitha King¸ in Maine.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de