Jakob Rubinstein
... dem Kind¸ das in einen Zug einsteigt und nie am Ziel ankommt;
... der kleinen Schwester von Gazetti¸ die halbnackt und wirres
Zeug redend auf einer Straße aufgegriffen wird;
... einem Künstler¸ der unter seltsamen Umständen vor einer Vernissage
verstirbt;
... dem Mann¸ der nach seiner verschwundenen Geliebten sucht;
... dem merkwürdigen Verhalten mancher Staatsbediensteter in der
Hofburg.
Im Zuge der Ermittlungen stellt sich aber jedesmal heraus¸ daß all diese banal scheinenden Fälle einen Hintergrund aufweisen¸ der alles andere als gewöhnlich ist. Machenschaften des Innenministeriums¸ Experimente mit der menschlichen Psyche und weitere Dinge von abstruser sowie verblüffender Natur kommen zum Vorschein.
Der 1968 geborene Österreicher Andreas Gruber versteht sich auf die Schreibkunst; nicht ohne Grund erhielt er für "Die letzte Fahrt der Enora Time" (eine Sammlung von SF-Kurzgeschichten) in zwei Kategorien den Phantastik-Preis 2002; desweiteren wird es seine Berechtigung haben¸ daß er Seminare für kreatives Schreiben abhält.
Anschaulich geschildert öffnet sich vor dem Leser die Welt von Jakob Rubinstein und seinen Freunden; man glaubt bald¸ die Protagonisten wie alte Bekannte zu kennen und empfindet unweigerlich Sympathie für sie und all ihre kleinen Eigenheiten. Der Autor versteht es¸ einen humorigen Grundton einzuführen und aufrechtzuerhalten und zwar ohne dabei der Versuchung zu erliegen allzu dick aufzutragen. Sein stilistisches Können verdeckt allerdings¸ daß die präsentierten Stories im Grunde genommen als Kriminalfälle wenig hergeben. Die jeweiligen Lösungen sind im wahrsten Sinne des Wortes phantastisch¸ was hier angemessen als unrealistisch zu übersetzen ist (aber deswegen firmieren sie schließlich unter der Überschrift "Phantastik-Krimi").
Die Aufklärung verläuft stets linear¸ es gibt nur eine Spur¸ der Rubinstein nachgeht und die ihn dann auch wirklich zur Lösung führt¸ was insofern verständlich ist¸ da sich logischerweise auf ca. 30 Seiten pro Episode schlecht komplexere Handlungsstränge unterbringen lassen. Umfangsmäßig hätte die Erweiterung des mit 170 Seiten doch schmal ausgefallenen Bandes um ein¸ zwei zusätzliche Geschichten sicherlich nicht geschadet; doch als kleines Trostpflaster zieren Illustrationen von Alex Mastny das Buch.
Die Abenteuer des jüdischen Privatdetektivs haben mir einige Stunden vergnüglicher Lektüre beschert und ich würde mich freuen¸ bald wieder von ihm zu hören (bzw. über ihn zu lesen). Noch erfreulicher wäre es¸ dann einen ganzen Roman mit durchgehender Handlung in Händen zu halten. Absolute Begeisterung würde ausbrechen¸ wenn darin der kleine Rückstand¸ der zwischen der Qualität der zugrundeliegenden Ideen und dem Niveau des handwerklichen Könnens derzeit noch zu konstatieren ist¸ wettgemacht werden könnte. In solch einem Fall stände die Höchstnote außer Frage
Eine Rezension von: Martin Weber http://www.sonnensturm-media.de