Im Bann der Seelendämmerung
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Lohnenswert für Fans des okkulten Detektivgenres¸ und sehr zu empfehlen für alle¸ die sich für die Übergangszeit zwischen dem gotischen Horror des frühen bis mittleren 19. Jahrhunderts und der seltsamen Fiktion des frühen 20. Jahrhunderts interessieren.
Flaxman Low kann es sich leisten¸ einer eher ungewöhnlichen Beschäftigung nachzugehen. Jetzt jedoch möchte er sich der Entenjagd auf Low Riddings widmen. Der Ort ist auch bestens geeignet¸ denn er liegt mitten im Moor¸ einem Paradies für Wasservögel. Low Riddings wird von Colonel Winston Daimley und dessen Tochter Olivia bewohnt. Diese sehen sich seltsamen Ereignissen gegenüber¸ die sie nicht erklären können. Und so kommt zweifelsohne das Gespräch zwischen dem Colonel und Flaxman Low darauf zu sprechen. So beginnt die Geschichte / das Hörspiel mit einer Herrenrunde am Kamin. Und an diesem Kamin verbleiben sie die meiste Zeit. Flaxman Low hört sich die Geschichten an¸ die die Anwesenden erzählen¸ sammelt Informationen wie andere Briefmarken und führt sie alle mit Logik und Intuition zusammen. Als Hörer findet man sich gleich mitten in dieser Runde¸ auch wenn man nichts beizutragen hat. Die dezenten¸ gut platzierten Hintergrundgeräusche wie der beständig flackernde Kamin mit seinen knackenden Holzscheiten sorgen für die richtige Stimmung. Man sitzt und redet und wird doch immer wieder von der Tochter des Colonels unterbrochen¸ da sie mit ihrem jungendlichen Charme die „Alt-Herren-Riege“ aus ihren trockenen Gesprächen reisst. Am Ende der Gespräche wird jedoch klar¸ dass niemand mehr¸ vor allem Olivia¸ allein im Moor unterwegs sein sollte. Ihre Streifzüge sollte sie einstellen¸ da die unheimliche¸ fürchterliche Gestalt¸ die immer wieder zu sehen ist
eine Gefahr darstellt.
Über die grossartigen Sprecher¸ die Titania Medien engagiert¸ muss man eigentlich nichts sagen. Und doch¸ sie sind es¸ die das Hörspiel zu einem Erfolg oder Misserfolg führen. Mit neuen Stimmen gelingt es den Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius die Hörer zu erfreuen. Das Problem bekannter Stimmen ist¸ dass man sie immer einer bestimmten Figur zuordnet¸ bzw. die Synchronstimme für bekannte Schauspieler auch diese gleich wieder assoziiert. Dies könnte Probleme bringen. Zwar hätte man Für Flaxman Low auch die Stimme von Joachim Tennstedt nehmen können¸ doch wäre dann Flaxman Low auch gleich Sherlock Holmes. Allerdings ist es bei knapp 200 Sprechern¸ die bei Titania Medien auftreten auch manchmal schwierig die beste Besetzung herauszufinden. Jede/r hat entsprechende Vor- und Nachteile. Jedenfalls war Rolf Berg als Hauptperson diee beste Besetzung¸ die ich mir hier vorstellen konnte. Auch Mia Geese als Victoria gefiel mir gut. Überhaupt¸ es gelang allen¸ die viktorianische Welt und zu verkörpern¸ nicht nur zu spielen¸ sondern zu leben.
Die 149te Folge des Gruselkabinetts ist wieder gut gelungen. Weder an dieser Produktion¸ noch an der Reihe findet sich etwas¸ was auszusetzen wäre. Die einzelnen Kritikpunkte¸ die ich an früheren Folgen nannte¸ sind keine¸ die die Gesamtreihe beeinträchtigt. Die Auflösung der Geschichte ist Originell und man merkt hier deutlich den Einfluss von Kate O'Brien Ryall Prichard¸ da die Geschichte einen Hauch von Tragik mit sich bringt. Das Hörspiel wird flott erzählt¸ bietet überraschende Momente und mit den gekonnt eingesetzten und platzierten Musik- und Geräuscheffekten¸ ergibt sich eine der besseren Ausgaben bei Titania. Wobei es mir schwerfallen würde¸ unter den demnächst 150 Hörspielen eine Reihenfolge festzulegen.
Das Titelbild von Ertugrul Edirne macht richtig Lust auf die Folge¸ auch wenn ich mir die Figur darauf etwas weniger deutlich gewünscht hätte¸ um das Geheimnisvolle¸ das Mystische der Erzählung zu unterstreichen.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355