Traumklänge oder das längste Märchen¸ das es je gab
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Die Kugel ist es¸ die alle Geschichten durcheilt. Ähnlich dem Zeichentrickfilm HEAVY METAL¸ verbindet eine Kugel alle Erzählungen. Nur mit einem Unterschied¸ die Kugel von Frederik Hetmann ist eine positive Kraft. Sie rollt durch die Geschichten¸ wird weitergegeben¸ verloren und gefunden oder bleibt lange Zeit unbeachtet. Denn nur wenige auserwählte Personen sind in der Lage¸ ihren leisen Klang zu vernehmen. Die Kugel verzaubert ihn im wahrsten Sinn des Wortes¸ sie gibt seinen Leben einen neuen Sinn¸ animiert und inspiriert ihn. Endlich findet er den gedanklichen Stoff und die Kraft seinen großen Roman zu schreiben¸ nach dem er so lange gesucht hat.
Im zweiten der zweiundzwanzig Kapitel des Buches oder der siebzehn Kapitel des Hörbuches¸ lernen wir Prinz Amatu kennen und können der Geburt der Kugel beiwohnen. Diese Geschichte im fernen Indien beginnend¸ könnte gleichzeitig die Erzählung sein¸ mit der Izaak sein Buch beginnt. Prinz Amatu hegt den Wunsch nach etwas¸ was die Wünsche der Menschen erfüllt. Dabei wendet er sich an seinen Hofmagier und während einer Vollmondnacht erscheint die Mondfrau. Mit ihrer Hilfe entsteht die wunderbare Kugel.
Im dritten Kapitel nimmt der Prinz die Kugel mit nach Samarkand¸ um die Prinzessin zu heiraten¸ die ihm vorbestimmt ist. Aber wie in so vielen Kapiteln geht nicht immer der offensichtliche Wunsch in Erfüllung. Manchmal ist der Weg das Ziel¸ ein anderes Mal ist der Wunsch der Vater des Gedanken. Nicht alles verläuft glatt¸ aber doch für jeden am Schluss befriedigend.
Die Kugel bewegt sich durch Raum und Zeit¸ indem sie bewegt wird. Vom alten Indien führt der Weg über den vorderen Orient nach Ägypten¸ von dort nach Spanien¸ über weiter europäische Lande in die Karibik¸ um schliesslich im Amerika am 11ten November 2001 ein vorläufiges Ende zu finden.
Während die Zauberkugel von Kontinent zu Kontinent getragen wird¸ läuft sie durch allerlei Hände. Etwa die des Übersetzers Sir Richard Burton. Er war der Mann der Tausend und Eine Nacht übersetzte und so dem europäischen Volk die arabischen Märchen nahe brachte. Frederik Hetmann schätze diesen Mann besonders und schätzte sich glücklich¸ eine Übersetzung von Burtons Privatdruck zu besitzen. Im Anhang erfährt der Leser¸ Kapitel für Kapitel¸ einige Anmerkungen und Gedanken des Autors¸ die er seinem Kapitel jeweils zu Grunde legte. Sir Richard Burton soll aber nicht die einzig bekannte Persönlichkeit bleiben¸ Francois Villon und E. T. A. Hoffmann finden an diesem Wunderwerk ebenfalls gefallen. Engel geben die Kugel weiter an Neugeborene oder retten die sich Liebenden. Die Kugel veranlasst Menschen¸ Dinge zu tun¸ die sie vorher nie in Betracht gezogen hätten.
Wer das Buch gelesen hat¸ seinen phantastischen Kapiteln durch die Welt und die Anderswelt wie in Tam Lin folgte¸ der wird sicherlich auch seine Freude an dem dazugehörigen Hörbuch haben. Die beiden Sprecher gefielen mir sehr gut. Nina Ruge mit ihrer ruhigen und deutlichen Sprache und Joachim Fuchsberger mit seiner angenehmen Erzählstimme. Andy Matern¸ bekannt durch seine Vertonungen bei LPL-Records¸ eröffnet das Hörbuch und leitet es wieder aus. Alles in allem wird das Hörbuch zu einem beeindruckenden Erlebnis.
Frederik Hetmanns Buch ist in beiden Formen¸ als Buch wie auch als Hörbuch¸ sehr angenehme Unterhaltung. TRAUMKLÄNGE ist in vielerlei Hinsicht ein modernes Märchen. Wünsche¸ Zauberer¸ Prinzen¸ übernatürliche Wesen¸ die Anderswelt. All das sind Zutaten¸ die in keinem Märchenbuch fehlen. Auf der anderen Seite die moderne Welt mit ihrer bösartigen Wirklichkeit¸ die jeden Traum zu töten vermag.
Wie bemerkt doch Eliza am Ende des ersten Kapitels als sie zu Izaak über die Kugel spricht: "Sie wirkt unscheinbar¸ aber sie hat einen starken Zauber."
Wie dieses Buch. Wie dieser Autor.
In Erinnerung an einen phantastischen Autor.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355