Schwarze Sonne 6: Whitechapel
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Whitechapel ist nicht nur eins im Zuge der Ripper-Morde bekannt gewordenes Stadtteil, es ist auch der Titel der sechsten Folge von Die Schwarze Sonne aus dem Hause Lausch.
1838 wollen die Nazis eine ambitionierte Nordpolexpedition starten und holen dazu den US-Amerikanischen Polarforscher Richard Evelyn Byrd zu einem Vortrag nach Deutschland, damit er die Expeditionsmannschaft der Schwabenland informieren kann. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch über seinen Nordpolüberflug gespottet, von dem einige denken, dass er nie stattfand. Das Manöver ist jedoch nur eine Ablenkung durch den undurchsichtigen Weissthor, der das amerikanische Militär auf die deutschen Nordpolinteressen einnorden will und seine Ambitionen von Indien in den Hintergrund rücken soll. Allerdings erhält der Kapitän der Schwabenland einen Brief mit einem Gegenstand zur persönlichen Verwahrung, den er mit dem Leben verteidigen soll bis der Führer eintrifft.
Arthur Salton hingegen hat seinen Hof Lesser Hill 1849 zu ungeahnter Größe und Pracht herangewirtschaftet, als er im April von einem Nachbarn zu einem Dorfrat eingeladen wird. In letzter Zeit sind vermehrt Menschen im tückischen Moor in der Nähe von Derbyshire verschwunden, so dass es Zeit wird "das Rad neu zu drehen", wie sein Nachbar Robert betont. Arthur ahnt, dass damit seine friedliche und glückliche Zeit in der Vergangenheit für ihn vorbei ist...
Jules Verne beschließt, endlich zu handeln, obwohl "oder gerade weil" er keine Antworten von Nathaniel erhält, der sich noch in Indien aufhalten sollte und beschließt von Paris nach London zu reisen. Er trifft auf dem Schiff den Chirurgen Joseph Bell, der ihn allerdings mit seiner Neugier und seinen abschweifenden Erzählungen eher nervt.
Auch Nathaniel und Adam beschließen auf der Jagd nach dem Artefakt endlich nach London aufzubrechen, wo sie in der Kabine auf den jungen Aleister Crowley stoßen, der unter der Knute seiner puritanischen Mutter steht und nicht mal ein Karamelbonbon von Nathaniel annehmen darf, weil dies die Verlockungen Satans enthält... Kaum in London suchen sie einen der Treffpunkte des ehemaligen Ordens auf, wo sich erneut einige Literaten treffen: Stoker, Yates, Doyle. Scheinbar haben einige Mitglieder einen neuen Orden gegründet, jedoch erkennt Nathaniel schnell, dass dieser einige Prinzipien des Vorgängerordens pervertiert hat... Doch schon bald finden sich die beiden an der Seite von Joseph Bell und seinem Begleiter Arthur Conan Doyle in einer verzwickten Kriminalgeschichte wieder.
War bei den letzten Folgen oft nicht ganz leicht zu verfolgen, wer wann wo agiert, ist es diesmal übersichtlicher. Die drei Zeitlinien präsentieren sich auf dieser CD hintereinander, was der Nachvollziehbarkeit in der Tat gut tut. Der Handlungsstrang in Indien ist erstmal beendet und die beiden Hauptcharaktere kommen nicht nur einem der größten historischen Kriminalfälle auf die Spur, sondern verknüpfen diesen noch in den Plot um Geheimgesellschaften und Templerorden. Der Naziplot köchelt auch weiter - im Zentrum der undurchsichtige Weissthor, Erzfeind der beiden spätestens seit der ersten Folge. Für Artur Salton war die Welt durchaus in Ordnung - trotz Zeitsprungs - auch wenn der Leser schon seit der letzten Folge und dem Auftreten Arrabella Marchs weis, ganz so glücklich wird er wohl nicht werden... Und der Hörer bekommt ganz nebenbei einen Bogen zur ersten Folge gespannt, wie es dazu kam. Zwar köcheln alle Plots weiter, etwas unbefriedigend ist aber, dass nix fertig wird, sprich: Es gibt keine abgeschlossenen Subplots.
Bei den Sprechern gibt es zahlreiche neue Stimmen, die sich gut integrieren in das qualitativ hochwertige Umfeld der Produktion. Gerade im Nazi-Strang wird der richtige Ton getroffen, auch ein makaberer "Witz" unterstreicht manche Szene, der einem übel im Hals steckenbleibt, aber viel vom Zeitgeist wiedergibt. Mit Joseph Bell, gesprochen von Günter Kütemeyer, und Arthur Conan Doyle, gesprochen von Kim Frank, gibt es zwei längere Gastauftritte, die man öfter hören wird. Ersterer hat eine sehr schöne Märchenonkelstimme, zugleich sehr markant, letzterer dürfte dem ein oder anderen von Echt bekannt sein. Echt? Echt... Die Musik und Soundeffekte präsentieren sich üblich stimmungsvoll, diesmal mit vielen Geigenspielen, die an Sherlock Holmes erinnern, kein Wunder, ist Joseph Bell sein historisches Vorbild ( und Doyle der Autor).
Gelungen ist hier in jedem Fall die Verknüpfung und Einbindung von historischen Figuren und Geschehen auf der einen Seite, ein fiktiver okkult-mysteriöser Handlungsstrang auf der a nderen
Aufmachung ist in Zeiten des schwarz brennens immer ein Punkt, Bücher haben ihren haptischen Schlüsselreiz, aber auch Die Schwarze Sonne macht sich nett im Regal. Ein Cover in weiß mit sakralem Motiv, eben passend zum Titel Whitechapel, achtseitiges Booklet mit einigen schönen Zeichnungen von Sabine Weiss.
Fazit: Wem Die Schwarze Sonne ab Folge 3 gefallen hat, bekommt eine weitere Dosis. Aber auch für Fans der ersten beiden Teile gibt es Hoffnung, der neu eröffnete Plotstrang geht deutlicher in dieRichtung der ersten beiden Folgen. Wer es bisher noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen, immerhin hat es Die Schwarze Sonne zu meiner Lieblingsserie geschafft!
[Ingo Schulze]
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/