Chroniken von Aris 1: Legend - Hand of God
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
"Leb wohl, Targon, mein bester, mein treuester, mein einfältigster Schüler"
Pünktlich zum Erscheinungstermin des PC-Action-Rollenspiels "Legend - Hand of God" am 12. Oktober 2007, möchte der Hamburger Publisher dtp Entertainment die ungeduldigen Fans mit reichlich Zusatzmaterial verwöhnen. Neben dem Roman "Legend: Dämonensturm", das die Vorgeschichte des Computerspiels erzählt und beim Panini-Verlag erscheint, wird es außerdem ein mit allerhand bekannten Sprechern versehenes Hörspiel geben, das die Geschichte aus dem Blickwinkel des Bösewichts wiedergibt - nette Idee. Scheinbar setzt dtp Entertainment viel Hoffnung in das erst zweite Werk des deutschen Entwicklerteams Master Creating, denn sowohl Roman als auch Hörspiel tragen die Zahl "1" im Titel, was Folgeproduktionen also nicht ausschließt. [Bei den Hörspielen ist vorerst eine Trilogie geplant - AdR] Wir hatten die Gelegenheit, uns ausgiebig ins Hörspiel reinzuhören, freuten uns über die kecke Art, wie es seine Hörer zu unterhalten weiß.
Story:
Obwohl sich dtp Entertainment und Master Creating viel Mühe mit der Produktion des Spiels gemacht und so zum Beispiel die bekannte amerikanische Autorin Susan O'Connor ("Gears of War") an Bord geholt haben, die sich unter anderem für Quests und die Hintergrundgeschichte verantwortlich zeichnet, sprüht eben jene nicht gerade vor Originalität. So ist auch bei "Legend - Hand of God" ein machthungriger Hexer dafür verantwortlich, dass sich das Tor zur Welt der Dämonen geöffnet hat, diese nun das friedliche Fantasy-Reich Aris überrennen und ein tapferer Recke als Bote des Guten in die Bresche springen muss. Nunja, dafür hätte es keiner US-Autorin gebraucht ...
Das Hörspiel setzt an der Stelle an, als jener Bote des Guten in Form des jungen Paladin Targon, letzter Überlebender des Ordens der Heiligen Flamme, sich auf den Weg macht, das Dämonentor zu schließen. Zu diesem Zweck benötigt er die drei Teile der Hand Gottes, denn nur mit diesem mächtigen Artefakt ist es möglich, die Horden des Bösen zurückzuschlagen. Unterstützung erhält er dabei von der Elfenkönigin Naeria und einer kleinen Lichtelfe namens Luna, die ihm nicht mehr von der Seite weicht. Gemeinsam müssen sie sich dem finsteren Schattenhexer Kaskaras stellen, der einst das Dämonentor öffnete und so eigene Pläne mit den Höllenbewohnern hat.
Produktion:
Gut, kommen wir gleich zur Sache: Wer von den "Chroniken von Aris" eine komplexe Geschichte mit interessant ausgearbeiteten Charakteren erwartet, kann sowohl um Computer- als auch Hörspiel getrost einen Bogen machen. Mehr als Einheitsbrei bieten beide nicht. Ihre Stärken liegen woanders: Während das Action-Rollenspiel mit dem als Lichtelfe Luna getarnten Mauszeiger überzeugt und für heitere Dialoge sorgt, überrascht das Hörspiel hingegen mit der eingangs erwähnten, ungewohnten Erzählweise. Statt eines neutralen Beobachters schlüpft der Bösewicht Kaskaras in die Rolle des Erzählers und schildert die Szenen aus seiner Sicht der Dinge. Diese Rolle stellt, mittlerweile im Gegensatz zu vielen anderen modernen Produktionen, den größten erzählerischen Part dar. Das teilweise herrlich bissige Kommentare über die Anstrengungen des Helden, die schurkischen Pläne zu vereiteln, zu hören sind, versteht sich somit von selbst. Erfrischend!
Generell nimmt sich das Hörspiel nicht sonderlich ernst und findet während der 71-minütigen Spielzeit immer wieder Zeit, das Genre des Rollenspiels mit kleinen Spitzfindigkeiten zu liebkosen. So ist sich Targon, Held, wie er nunmal einer ist, nicht zu Schade, einer jammernden Bauersfrau ihren verschollenen Sohn aus den Händen eines Orks zu entreißen. Oder er hilft dem König der Zwerge, einen Drachen zu erschlagen, der seit Ewigkeiten sein Volk bedroht. Diese, für Rollenspiele ach so typischen Queste, gepaart mit den Erzählungen Kaskaras', verleihen der Produktion einen eigenen, urwitzigen Charme. Man kann dem Produktionsteam daher gar nicht böse sein, dass die Charaktere so dermaßen Stereotyp und austauschbar sind. Etwas anderes hätte nicht hineingepasst.
Das Hörspiel liegt der Special Edition des Computerspiels bei, ist aber auch normal käuflich zu erwerben - für ziemlich happige 14,90 EUR.
Sprecher:
Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Ergo ist es auch nicht verwunderlich, dass für "Die Chroniken von Aris" ausschließlich professionelle Sprecher engagiert wurden. Neben Phillip Moog, der für gewöhnlich Ewan McGregor und Orlando Bloom seine Stimmbänder leiht und hier als Held Targon zu hören ist, kommen auch Christine Pappert (Naeria, bekannt als deutsche Stimme von Carrie aus "King of Queens"), Thilo Schmitz (S'nazil) und Martin Sabel als Oberschurke Kaskaras zum Einsatz. Allesamt machen ihren Job wirklich ausgezeichnet, zumal sämtliche Rollen über keinen nennenswerten Anspruch verfügen. Vor allem Martin Sabel, der auch die Rolle des Erzählers inne und somit bei weitem den meisten Text vorzutragen hat, glänzt durch seine wunderbar hochnäsige und herablassende Sprechweise, die stets von einem Hauch Zynismus begleitet wird. Mit diesem Stilmittel wusste Sabel schon als der hinterhältige Masoj Hun'ett in der Hörspielreihe "Die Saga vom Dunkelelf" zu gefallen.
Effekte und Musik:
Mit der Beauftragung der Soundspezialisten von dynamedion wurde auch hier geklotzt statt gekleckert. Dynamedion, unlängst zum deutschen Marktführer bei der Produktion von Soundtracks und Sounddesign aufgestiegen, wob einen orchestralen und wohl strukturierten Klangteppich, der wunderbar zum Fantasy-Setting passt, sich nicht voluminös aufdrängt und die jeweiligen Situationen und Dialoge unterstreicht: wuchtig und hämmernd bei Schlachtengetümmel, leise und hell bei liebreizenden Auseinandersetzungen, dunkel und bedrohlich, wenn das Böse seinen Einsatz hat. Sämtliche Effekte und Geräusche sind wohldosiert eingesetzt, auch wenn es an manchen Stellen ein wenig hätte mehr sein können. So fehlt bei schwirrenden Pfeilen beispielsweise das typische Knarren von sich spannenden Bogensehnen.
Das Fazit:
Erfrischend anders! "Die Chroniken von Aris" ist eine Hommage an das Rollenspiel und weiß vor allem durch den humoristischen Erzählstil zu gefallen.
[Christoph Memmert]
Eine Rezension von: Christoph 'Christophorus' Memmert https://greifenklaue.wordpress.com/