Heiliger Zorn
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Takeshi Kovacs steht im Mittelpunkt des Romans. Sein langer Weg führt zurück zum Planeten seiner Geburt. Harlans Welt. Er wird wieder in die Ränkespiele einer Revolution eingeführt und aus welches ein Zeichen dafür ist¸ dass sich seine Geschichte schliesst. Takeshi hat im Laufe seines langen Lebens die erste Revolution auf Konrad Harlans Welt miterleben lassen¸ genauso wie das unrühmliche Scheitern. Jetzt greift eine neue Generation genau diese Theorie wieder auf. Die Anführerin entpuppt sich als eine 'Wiederauferstandene' und stellt sich als Sylvie bzw. Falconer heraus. Gleichzeitig weist Takeshi auf die Gefahren einer Revolution hin. Die alte Familie der Harlans ist korrupt¸ verabscheuungswürdig¸ hinterhältig und fügt auch sonst alle schlechten Eigenschaften einer Oligarchie in sich ein. Die Quellisten scheinen hingegen ihre Ideale¸ für die sie einstehen¸ nicht mit Inhalten füllen zu können. Daraus ergebe sich jedoch nur der Ersatz einer Diktatur durch eine andere. Damit würden¸ so sagt Takeshi¸ die Quellisten zu Verrätern an den eigenen Plänen. Trotzdem steht Takeshi Kovacs im Vordergrund der Erzählung¸ alles andere ist eigentlich nur spannendes Beiwerk.
Auf Harlans Welt trifft der ältere und gereifte Kovacs auf eine Kopie seiner selbst. Sie ist jünger¸ das heisst¸ sie war eingelagert und damit nicht so reich an Lebenserfahrung wie der ältere Kovacs¸ den wir bisher begleiteten. Der ältere Kovacs erkennt im Laufe der Handlung¸ warum er geworden ist¸ was er jetzt ist¸ versteht aber gleichzeitig die Leute¸ die ihn früher Hassen gelernt hatten. Beim Zusammentreffen Kovacs gegen Kovacs¸ kommt es nicht zu einer alles beendenden Auseinandersetzung. Richard Morgan zeigt auf¸ wie ähnlich sich die beiden Menschen sind. Der junge Kovacs zeigt dem alten deutlich¸ warum er so geworden ist¸ der alte Kovacs hingegen bemitleidet sich selbst und hasst sich gleichzeitig dafür. Der eine ist der Spiegel des anderen. Ganz besonders zum Tragen kommt es in dem Kapitel¸ das nur dem jüngeren Kovacs gewidmet ist.
Die zweite Person¸ die einer Veränderung unterliegt ist die bereits angesprochene Sylvie. Oder Falconer. "Zwei Herzen schlagen in ihrer Brust" in Anlehnung an ein altes Sprichwort. Ist Sylvie sie selbst¸ ist sie Falconer¸ ist sie ein Mix¸ wessen Gedanken überwiegen? Eine Urangst der langlebigen Menschen wird geschürt. Was ist der Tod¸ wie tritt er ein und für wen ist er eine Gnade? Hat der körperliche Tod noch eine Bedeutung¸ wenn man doch wieder 'hochgeladen' werden kann? Das Problem der Doppelpersönlichkeit überträgt sich auch auf Kovacs. Und so wird aus dieser Verbindung eine tragische Liebe. Der Stack-Fehler¸ der für Sylvies gespaltene Persönlichkeit sorgte¸ bildet gleichzeitig ein echtes Problem.
Und alle guten dinge sind drei¸ wie es so schön heisst. Virginia Vidaura ist die Person¸ die die Dreierbeziehung ausfüllt. Seine über alles verehrte Ausbilderin bei den Envoy¸ einer Spezialeinheit. Die anscheinend so unfehlbare Virginia wird von Takeshi oft und gerne zitiert. Er erkennt in seiner Jugend¸ dass Virginia auch nur ein Mensch ist und ihre Worte nicht unbedingt der Quell alleswissender Weisheit. In diese Beziehung fällt auch seine Entscheidung¸ sich dem Envoy Corps anzuschliessen. Jene Organisation¸ die dafür Sorge trägt¸ das er immer wieder an den Brennpunkten eingesetzt wird.
Neben den theoretischen und gesellschaftskritischen Punkten kommt die schnelle und abwechslungsreiche Handlung nicht zu kurz. Über Harlans Welt kreisen Plattformen der Marsianer¸ uralte Artefakte die dafür Sorgen¸ dass Maschinen sich im Luftraum bewegen können¸ die sich an eine bestimmte Höhe¸ Fluggeschwindigkeit und geringe Bewaffnung halten. Dagegen herrscht unter Wasser des Wasserreichen Inselplaneten der reinste Krieg. Wird gegen die Bestimmungen verstossen¸ dann wird ein 'Engelsfeuerschlag' gegen den Verursacher ausgelöst. Das entsprechende Luftfahrzeug verschwindet von der Bildfläche. Die bewaffneten Schnellboote oder die U-Boote fallen nicht unter diese Strafen. Daher ist es nicht verwunderlich¸ wenn es jede Menge geheime Stützpunkte unter Wasser bestehen. Die Plattformen der Marsianer bergen mit dem Engelsfeuer jedoch noch eine andere Überraschung¸ die er spät herausgefunden wird.
Richard Morgan hat es in diesem Roman geschafft einen endgültigen Abschluss zu schaffen. Neben der Entwicklung der Gesellschaft über einen langen Zeitraum zeigt er auch die Entwicklung seiner Hauptperson auf. In diesem Zusammenhang von einem Helden zu sprechen wäre sicherlich falsch. Die Tiefschläge¸ die Kovacs hinnehmen muss sprechen in jedem Fall dagegen. Der erste Roman war eher am Kriminalroman orientiert¸ der zweite Roman eher an sie Space Opera angelehnt¸ der dritte Roman ist ein gesellschaftspolitischer Roman. Die Auseinandersetzung mit den Harlans auf deren ureigensten Heimatwelt¸ das Geplänkel mit Kriminellen und sein eigenes Auftreten lässt die Handlung ein wenig unverständlich beginnen. Langweile macht sich breit¸ wenn der handlungsfaden zu lange in Schleifen abgerollt wird. Der vorliegende Roman ist sicherlich der interessanteste Roman der Trilogie.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355