Gruselkabinett 151: Die Topharbraut
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Wie die meisten Menschen seiner Zeit war er Mitglied der NSDAP¸ in die er 1931 eintrat. Diesen Einfluss kann man seinem Roman Die Topharbraut nicht so deutlich anmerken¸ wie späteren Werken. Dem Eintritt in die NSDAP widerspricht aber¸ dass er sich für die Gleichberechtigung von Juden einsetzte. Daraus folgernd das generelle Veröffentlichungsverbot ab 1934.
Die Topharbraut erweckt im Nachhinein gesehen eine interessante Zeit¸ und gleichzeitig ihre unangenehmen¸ lebensverachtenden Auswüchse¸ zum Leben.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Germanist Doktor Gunther Lutzke (gesprochen von Matthias Lühn. Wie so viele vor ihm¸ zog es ihn Beginn der 1910er Jahre in die Hauptstadt des Reiches. Leben¸ arbeiten¸ Karriere machen¸ sind die drei Eckpunkte eines jeden¸ den es nach Berlin zog. Die Stadt ist überlaufen und so sucht er dringend nach einer Bleibe. Standesgerecht natürlich. Weil der Schriftsteller und Journalist keine eigene Wohnung findet¸ geht er notgedrungen einen Kompromiss ein. Schliesslich findet er etwas¸ dass ihm angemessen erscheint. In der Winterfeldstr. 24 bietet ihm die freundliche Frau Paulsen (gesprochen von Beate Gerlach zwei Zimmer zu einem wirklich günstigen Preis an¸ aber die Sache hat einen Haken. Seine Wirtin¸ bietet ihm zwei Zimmer in einer Vier-Zimmer-Wohnung an. Den Wohnraum muss er sich mit einem Mitbewohner teilen. Es ist ein grosses Vergnügen¸ Matthias Lühn dabei zuzuhören¸ wenn Gunther Lutzke mit seiner Vermieterin spricht¸ diese sogar sprachlich auf den Arm nimmt.
Michael Pan¸ alias Fritz Beckers ist sein Name und wirkt auf den ersten Blick sympathisch. Er wirkt zunächst wie ein höflicher¸ freundlicher und harmloser Zeitgenosse. Als Hörer kann man nur aufgrund weniger Stimmänderungen an entscheidender Stelle erkennen¸ hier steckt mehr als man hört. Man sollte auf die eigene Ahnung vertrauen. Die beiden Männer arrangieren sich¸ doch ist die Freundin von Gunther¸ Aenny (Claudia Urbschat-Mingues¸ nicht gut auf ihn zu sprechen¸ so dass sogar unter Vorwand¸ die Liason in die Brüche geht. Claudia Urbschat-Mingues nimmt man die gesundheitlich angeschlagene Frau ab¸ auch wenn sie es mit Lebenslust und manchmal schnippischem Ton verdecken möchte. Auch die anderen Sprecher sind in ihren Rollen und dem Verständnis der zu spielenden Personen hervorragend. Ich bin überzeugt¸ eine Verfilmung der Geschichte mit diesen Sprechern wäre eine Bereicherung des phantastischen Films.
Auch wenn die Geschichte harmlos erscheint¸ sie ist es nicht. Nicht bei diesem Autor¸ der sich oft mit einem Theema beschäftigt und die Sozialkritik mit einfliessen lässt. Die Bell Epoque mit ihrem Zwiespalt zwischen kleinbürgerlicher Moral und dem Hauch des Verruchten¸ einerseits abstossend¸ dann wieder anziehend auf die Menschen wirkt¸ wird sehr gut umgesetzt. Die Umsetzung ist sehr als gelungen und hebt das Hörspiel auf die vorderen Plätze meiner persönlichen Rangliste. Die Sprecher tragen die Geschichte mit ihrer Sprache. Setzen diese nuanciert ein. Unterstützung finden sie in der gelungenen Geräuschkulisse und der atmosphärischen Musik. Der leichte Grusel in der Erzählung¸ der sich langsam steigert¸ sorgt dafür¸ dass der Spannungsbogen sich zwar langsam aber stetig aufbaut.
Die Erzählung fand durch Marc Gruppe einige Veränderungen¸ auf die ich nicht im Einzelnen eingehen möchte. Zumindest in der Geschichte aus dem Jahr 1924 ist die Erzählung mit anderen Begrifflichkeiten beschrieben. Ich denke aber¸ die Geschichte hat dadurch nichts verloren. Trotz der kleinen Kürzungen¸ die der Laufzeit einer CD geschuldet sind. Die Handlung verliert nicht dabei¸ der Hörer gewinnt¸ weil die Geschichte so schneller und spannender bleibt.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355