Gleismeer
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Seine Werke lassen sich schwer einem Genre zuordnen. Hauptsächlich der Fantasy zugeneigt finden sich auch Merkmale der Science Fiction¸ der Horrorliteratur und des Steampunk. Er selbst bezeichnet seine Werke als „Weird Fiction“.
Mit seinem ersten Roman King Rat wurde er für den Preis der International Horror Guild und für den Bram Stoker Award nominiert. Mit Perdido Street Station gewann er den Arthur C. Clarke-Preis und wurde für den Hugo¸ den Nebula Award und den World Fantasy Award nominiert. In Deutschland erschien Perdido zunächst in zwei Teilen als Die Falter und Der Weber. Die Bücher erhielten 2003 den Kurd Laßwitz-Preis in der Kategorie „Bester ausländischer Roman“. Auch The Scar wurde für den Arthur C. Clarke-Preis und den World Fantasy Award nominiert und erhielt erneut den Kurd Laßwitz-Preis.
China Miéville lebt heute in London.
W elt verkehrt¸ kann man das nennen¸ was China Miéville aus dem Klassiker von Herman Melville¸ Moby-Dick ¸ gemacht hat. Der Hintergrund des Zukunfts-Romans ist die schicksalhafte Fahrt des Walfangschiffes Pequod¸ dessen Kapitän Ahab mit blindem Hass den weißen Pottwal Moby Dick jagt¸ der ihm ein Bein abgerissen hat.
China Miéville stellt sein Buch in den Schatten seines Vorgängers¸ ohne wirklich daraus hervorzutreten. Der Wal Moby-Dick stellt sich als ein riesiger Maulwurf dar¸ gejagt¸ von der Kapitänin Naphi¸ der ein Arm fehlt und das Meer aus Wasser ist eine Wüstenei voller Schienen. Der ins Riesenhafte vergrößerter Maulwurf wird als "Großer Südlicher Moldywarp"¸ Talpa ferox rex¸ bezeichnet. Der Waisenjunge Sham (schon wieder Waisenjunge¸ gibt es keine intakten Familien mehr? ist der Bursche¸ der im erzählerischen Mittelpunkt steht¸ ihn aber immer wieder gern abgibt¸ wenn es gilt Mensch¸ Maschinen und Macher zu beschreiben. Sham heuert auf dem Medes an¸ einer der Züge¸ die sich über das dynamische¸ ewig veränderliche Gleisnetz zwischen den Siedlungen bewegt. Doch gilt es nicht¸ eine Bundesbahn der Zukunft darzustellen. Die Medes-Besatzung¸ sehr leb- und glaubhaft von China Miéville beschrieben¸ hat es sich zur Aufgabe gemacht¸ jene Wesen zu jagen¸ die der Zivilisation Ärger bereiten. Sham jedenfalls ist die Identifikationsfigur der jugendlichen Leser. In seiner Eigenschaft ähnelt er alten Helden meiner Jugend¸ wie etwa der findige Tom Sawyer oder ein jugendlicher Phileas Fogg¸ wenn auch mit deutlich weniger Geld aber genau so grosser Abenteuerlust. Die Ch""haraktere sind Menschen¸ wie Du und ich¸ denn es gibt das Schema Gut und Böse nicht. Jede Figur besitzt ihre eigenen Vorstellungen¸ Pläne¸ Ideale und Aufgaben. Das Gut und Böse eines Charakters ergibt sich aus der Sichtweise des Lesers und / oder Handlungs-trägers. Die Ziele der handelnden Personen liegen nicht immer offen zu Tage. Wer den Roman¸ oder die Danksagung genau liest¸ wird feststellen¸ dass China Miéville diverse Klassiker der Literatur bemühte und ihnen zumindest in einer Art literarischen Zitates¸ eine neue Heimat gewährt.
Das Gleismeer liest sich wie ein klassischer Abenteuerroman mit einem jungen Hauptdarsteller¸ der sich im Laufe der Geschichte erst zu einem Helden entwickeln muss¸ und ist eine Art Postapokalypse¸ mit einem Schuss Cyber- und Steampunk. Die durch zwei rivalisierende Bahnkonzerne heruntergewirtschaftete Welt entspricht in ihren Auswirkungen dem¸ was Cyberpunk und Shadowrun bereits in den 1980er Jahren ausgelotet und abgearbeitet haben. Dazu kommt mit dem Gleismeer und deren Fahrgeschäften ein Schuss des erwähnten Steampunk hinzu¸ so dass eine seltsame Mischung entsteht¸ in der die Zivilisation¸ so wie sie noch besteht¸ ebenso ungewöhnlich ist. Wer Schubladen aufmachen möchte¸ um das Buch in einen Zusammenhang zu stellen¸ hat die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Von Steam- und Cyberpunk¸ über apokalyptische Untergangsmodell¸ Gegen-Welt und Alternativwelt … Und dennoch ist der Roman nicht unbedingt einzuordnen.
Das wirklich Faszinierende an der Geschichte ist die Sprache¸ die der Autor benutzt. Mal abgesehen von dem ungewöhnlichen Umstand jedes Wort "und" durch das kaufmännische & zu ersetzen¸ sondern auch die Sprache in der altbekanntes quasi neu erfunden wird. Und dennoch¸ auch China Miéville biete nicht viel Neues. Ein Waisenjunge rettet die Welt¸ seit Harry Potter sooo was von out¸ Nacherzählung eines Klassikers mit anderen Begebenheiten aber doch eindeutig¸ Personen-konstellationen wie in allen anderen Jugendromanen. Hier hatte ich mir mehr versprochen. "
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355