Gestrandet
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Auf einem seiner Streifzüge findet Ragnar¸ der Anführer einer der Ansiedlungen den Raumfahrer Karl mit gebrochenen Beinen. Der an sich gesunde und starke Karl benötigt die Hilfe von Ragnar und ist nur zu gern bereit¸ dessen Hilfe anzunehmen. Karls Körper wird von heilenden Nanotechpartikeln seiner eigenen künstlichen Intelligenz¸ Loki genannt¸ gepeinigt¸ was dazu führt¸ dass er sich manchmal wie ein Verrückter benimmt. Ragnar hat jedoch ganz andere Pläne. Er sieht in Karl einen neuen Befruchter¸ denn mit dessen Erbgut bringt er neues Leben in die Ansiedlung. Die Frau dafür hat er auch schon im Blick. Die ausgestossene Bera. Zudem wäre nach seiner Gesundung Karl ein neues kräftiges Mitglied seiner Gemeinschaft und ihm zu Dank verpflichtet. Eine Eigenschaft¸ die er gern ausnutzen wird. Bliebe nur noch die Frage mit Bera zu klären. Bera ist eine junge Frau¸ die von den meisten Menschen ihres Clans verachtet und ausgegrenzt wird. Die Verachtung¸ die die anderen Bera entgegenbringen¸ hat sie sich selbst zuzuschreiben. Sie hatte eine Fehlgeburt und das ersehnte Kind starb. Ausserdem und das ist fast genauso schwerwiegend¸ verheimlicht sie den Namen des Vaters. Sie soll nicht nur den Unbekannten aufpäppeln und auf die Beine helfen¸ sondern auch gleichzeitig die Mutter seiner Kinder werden. Dabei steht ihr eigener Ruf als nutzlose Frau im Weg. Sie ist gerade noch in der Lage¸ einen Mann zu pflegen¸ der von seltsamen Dingen spricht und davon überzeugt ist. Also garantiert geistig verwirrt. Ragnar hat dazu seine eigene Ansicht. Leicht zu führen und willfährig. Wie das so ist¸ kommen sich zwei Aussenseiter näher und versuchen sich gegenseitig zu helfen. Als das Vertrauen soweit gefestigt ist¸ machen sie sich auf den Weg. Bera erzähltte von den Überresten des verschollenen¸ alten Siedlungsschiffs¸ dass sie zu suchen sich aufmachen. Karl hofft darauf eine Möglichkeit zu finden¸ den in seinen Augen unwirtlichen Planeten zu verlassen. Ragnar ist darüber nicht sonderlich Glück¸ stellt man seine Führungsautorität in Frage. Den energischen Widerstand Ragnars hervorrufend¸ sorgt der unwirtliche Planet mit Flora und Fauna zusätzlich für Probleme.
Colin Harvey schreibt eine spannende Geschichte¸ die jedoch erst ein wenig vor sich hindümpelt¸ bevor der Spannungsbogen merklich anzieht. Den Hintergrund bildet eine archaische Zivilisation¸ basierend auf dem nordischen Thule der Erde. Die Beschreibungen Fauna und Flora¸ sowie der Gesellschaftsstrukturen sind überzeugend. Die Leser erfahren einiges über das harte und karge Leben einer in sich geschlossenen archaischen Zivilisation und über zwischenmenschliche Beziehungen. Spannungen der Bewohner untereinander dienen vor exotischer Kulisse dazu¸ der Handlung etwas mehr Leben einzuhauchen. In die kleine Gesellschaftsordnung tritt ein Fremdkörper in Form von Karl und sofort geht es in der Erzählung darum¸ wie eine gesellschaftlich homogene kleine Gruppe damit umgeht. In unterschiedlichen Sichtweisen¸ einmal Karl selbst¸ dann wieder seine KI Loki in Ich-Form¸ wird über Planet und Zivilisation fabuliert. Der an sich flüssig geschriebene Roman¸ eine Art Zwitter zwischen Abenteuer SF und sozialer Science Fiction¸ greift unterschiedliche Fragestellungen auf und versucht sie zu beantworten. Interessante¸ faszinierende Fragen¸ denen sich Colin Harvey im Gewand seines Abenteuer-Romans annimmt. Im Mittelpunkt steckt Karl¸ einmal seiner eigenen Kultur verhaftet¸ dann wieder die Kultur¸ der Ragnar vorsteht. Dies bietet einiges an Konfliktpotential. Ein nicht uninteressanter Roman¸ dessen Charaktere und die Handlung ein wenig klischeehaft wirken. Die einfach gehaltene Schreibweise sorgt dafür¸ dass man sich nicht lange mit sozialpolitischen Erwartungen auseinandersetzt¸ sonder in Form des Abenteuers mehr über die erfundene Geschichte eines terrageformten Planeten erfährt.
Der Wilhelm Heyne Verlag stellt den Roman unter dem Serientitel Space Action in die Regale der Buchhandlungen. Das ist sicher nicht sehr verkehrt. Dennoch ist mir die Sprache manchmal etwas zu einfach.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355