Frucht der Sünde
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Die Pater Brown Geschichten¸ gut verfilmt mit Heinz Rühmann und ein billiger Abklatsch ohne Sinn und Zweck mit Ottfried Fischer sind wohl bekannt. Wer nun einen weiteren eher halbherzigen Versuch erwartet¸ wird enttäuscht. Phil Rickmans Pater Brown ist eine Betschwester namens Merrily Watkins¸ die in der britischen Provinz die offene Stelle einer Pfarrei in Ledwardine besetzen soll. Das von Apfelbäumen bestimmte Landwesen lässt in der Beschreibung an das Alte Land bei Hamburg denken und erweckt zuerst einmal die ländliche Idylle voller Frieden und Freiheit. Keine Zwänge der Gesellschaft und jeder kennt jeden. Das Postkartenidyll¸ dass hunderte von naiven Landschaftsmalern begeistern kann¸ wird jedoch jäh gestört. Nicht etwa¸ weil Ex-Anwältin Merrily Watkins mit pubertärer Tochter Jane in das Pfarrhaus einzieht. Von Visionen geplagt und mit scheinbar übersinnlichen Kräften¸ die die Tochter entwickelt¸ geschehen noch andere seltsame Dinge.
Am Abend vor ihrem Amtsantritt wird auf einer Apfelwiese des Dorfes eine Feier abgehalten¸ die nicht friedlich endet. Ein seltsamer Todesfall bietet den Auftakt eines unheimlichen Kriminalfalles. Und mitten drin Witwe Watkins. Und dann verschwindet plötzlich ein junges Mädchen aus dem Dorf.
Phil Rickman beschreibt in diesem ersten Abenteuer seiner neuen Pfarrerin das Leben einer Grossstädterin auf dem Dorf. Natürlich wird eine ledige Mutter nicht sofort mit offenen Armen empfangen. In einem Dorf bleibt man unter sich und Aussenstehende bleiben aussen stehend. Da fällt es leichter an Geister zu glauben¸ als eine neue Pfarrerin im Dorf zu haben. Es kann ja nicht angehen¸ dass plötzlich eine Fremde den Platz des Beichtvaters einnimmt. Und was mischt die sich in die Geheimnisse der Dorfgemeinschaft ein? Der Roman beginnt ganz gut und nimmt den Leser schnell mit in ein traditionell ausgerichtetes Dorf. Allerdings zieht sich der Teil danach etwas¸ denn die Handlung wird langsam aufgebaut. Danach wird es wieder spannender und viel lesbarer. Hinzu kommt¸ dass sich ein Autor damit beschäftigt¸ den Tod eines Geistlichen aus dem siebzehnten Jahrhundert aufzuklären und als eine Dokumentation mit Spielfilmpassagen herzustellen. Da sind allerdings die Dorfbewohner dagegen¸ denn sie sind alle irgendwie mit den Apfelbäumen und den dort lebenden Geistern verbunden. Selbsst Jane¸ der Pfarrerin Tochter¸ ergeht es nicht anders als den Dorfbewohnern.
Der deutsche Titel Frucht der Sünde deckt sich zwar nicht mit dem englischen Titel¸ macht aber neugierig. Phil Rickman präsentiert schrullige Dorfbewohner und eine seltsame Ermittlerin. Der intelligent konstruierte Kriminalroman ist lange Zeit damit beschäftigt¸ die Pfarrerin und ihre Tochter nicht nur in die Geschichte¸ sondern auch in das Dorf einzuführen. Dadurch hat der Roman einige Längen¸ wird aber interessanter¸ wann immer es darum geht¸ den kriminalistischen Spuren zu folgen. Der Roman steht trotz seines Krimielements ganz im Zeichen der englischen Geistergeschichten. Sie¸ die Geschichte¸ steigert sich langsam aber sicher in sphärisch anmutende Verhältnisse. Immer stärker wird die Geschichte so beschrieben¸ als ob nur noch ein übersinnliches Eingreifen dafür sorgen kann¸ dass eine positive Lösung gefunden werden kann. Und doch findet sich eine ganz irdische Lösung aller Probleme. Spannend bis zur letzten Seite wird aus einem "dicken Schinken" ein unterhaltsamer Roman.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355