Flucht ins 23. Jahrhundert
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Im Jahr 2021 ist es unmöglich, den Roman Logan's Run zu besprechen, ohne den Film von 1976 zu erwähnen, der meiner Meinung nach das Originalwerk an Bekanntheit überholt hat. Bei einem Vergleich wird der Grund dafür nur allzu deutlich. Während ich den Film aus den 70er Jahren für meinen modernen Geschmack recht charmant fand, kann ich das vom Roman nicht behaupten.
Das erste Problem liegt in der Altersgrenze. Da keine Figur älter als 21 Jahre alt ist, sind die Beschreibungen von Personen als "Mann" und "Frau" verwirrend und bringen mich an die Grenzen der Unglaubwürdigkeit. Zu keinem Zeitpunkt war ich von der Jugend der Figuren überzeugt. Der Autor hat ganz offensichtlich einfach eine beliebige Persönlichkeit beschrieben, ohne Rücksicht auf die Grenzen, die ihm sein Umfeld setzt.
Ausserdem versäumt es der Roman, den Leser mit der Struktur und dem Aufbau der Welt vertraut zu machen, bevor er in ihr herumwühlt. Neue Schauplätze werden ungeschickt unmittelbar vor den Szenen eingeführt, in denen sie auftauchen, und genau dann verlassen, wenn der Leser beginnt, sich daran zu gewöhnen.
Ich bin mit der Hoffnung auf eine tiefere Welt als die des Films zu diesem Buch gekommen, und ich wurde völlig enttäuscht. Die Prämisse ist faszinierend, aber ehrlich gesagt, wenn man einen Blick in Logans Welt werfen möchte, sollte man sich den Film ansehen.
Das Buch hat mir trotzdem gefallen, weil ich mich in die Zeit, in der es geschrieben gut hineinversetzen konnte. Aber ich muss zugeben, dass ich den Film fesselnder finde. Ich werde hier nur erwähnen, was mir im Buch am besten gefallen hat und was nicht. Die Charaktere jenseits von Logan und Jessica (und vielleicht Francis bis zu einem gewissen Grad) waren blosse Skizzen und überhaupt nicht einprägsam. Das hat mich nicht sonderlich gestört, denn die Schauplätze waren ziemlich detailliert und interessant. Logan und Jessica sehen viele Orte in dieser Welt, die im Film überhaupt nicht vorkommen, was die Sache ziemlich spannend hält. An einigen Stellen zieht sich die Geschichte allerdings zu sehr in die Länge und wurde überraschend langweilig. Es ist ein kurzer Band und das Gefühl, dass man etwas hätte kürzen können, ist etwas enttäuschend.
Am besten hat mir das letzte Drittel des Buches gefallen, wo viele Dinge zusammenkommen, aber vor allem erfährt der Leser, wie und warum die Vereinigten Staaten zu diesem Ort geworden sind. Das war faszinierend, traurig und irgendwie beunruhigend vorstellbar, wenn man sich die reale Welt vor Augen hält. Es gibt eine Klimakrise, eine Überbevölkerung, eine Überforderung der Regierung, einen Bürgeraufstand und etwas, das ich nur als vollständigen Zusammenbruch einer Gesellschaft beschreiben kann, die letztlich eine Handvoll Schrecken gegen einen Korb anderer Schrecken eintauscht. Der Einsatz von Propaganda war auch hier ein beängstigendes Merkmal, und es gibt einen ganzen Abschnitt über eine Nachstellung des Bürgerkriegs in Virginia, der mir einfach den Kopf verdreht hat. Allein für diese Abschnitte war das Buch lesenswert. Vor allem aber deswegen, weil ich in Deutschland / Europa gerade die Anfänge dazu sehe. Das Ende war grossartig, und ich glaube, es hat mir vielleicht sogar besser gefallen als das Ende des Films. Es gibt eine tolle Wendung und das letzte Drittel des Buches hat mich bis spät in die Nacht beschäftigt.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355