Farbe Blau
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Es herrscht Aufregung in der Stadt. Angesehene Bürger begingen bestialisch anmutende Morde. Zwar scheint keinerlei Zusammenhang zu bestehen¸ doch ein junger Mann findet heraus¸ dass immer ein ganz bestimmtes Bild im Spiel war. Es stammt angeblich von Rembrandt Harmenszoon van Rijn¸ doch ist es in einem für ihn völlig untypischen blau gehalten. Damit ist auch der Titel des Buches erklärt. Der junge Maler Cornelis Suythof ist ein grosser Bewunderer des Meisters. Er arbeitet als Aufseher in einer Besserungsanstalt Rasphuis¸ um seine Leidenschaft¸ die Malerei bezahlen zu können. Doch gerade hier geschieht etwas schier unglaubliches. In der Anstalt bringt sich einer der Einsitzenden um. Es ist der Blaufärbermeister Melchers. Melchers wurde eingeliefert¸ weil er seine eigene Familie bestialisch ermordete. In der Zelle des Mannes hängt ein Bild¸ dass ein anderer Wärter¸ sein Onkel und väterlicher Freund Ossel Jeuken¸ heimlich hinein schmuggelte¸ weil der Insasse es gern haben wollte. Jetzt muss das Bild¸ das bald darauf als 'Todesbild' in die Geschichte eingeht¸ erst einmal wieder verschwinden. Ossel nimmt es mit zu sich nach hause. Das Bild zeigt die Familie Melchers und ähnelt in seinem Licht- und Schattenspiel Rembrandts Gemälden. Das einzig Merkwürdige daran ist der Blauton. Am nächsten 'Tag findet er seinen Wärterkollegen Ossel selbst in der Zelle wieder. Ossel Jeuken hatte in der Nacht seine Freundin¸ Geliebte¸ Lebensgefährtin grausam ermordet. Auch bei einem zweiten Todesfall ist das Bild in der Nähe. Doch danach verschwindet das Bild auf seltsame Weise. Cornelis will der Sache auf den Grund gehen und gerät dabei immer tiefer in einen Schlamassel¸ in dem er sich nur mit Mühe und Not selbst behaupten kann. Zuerst verliert er seine Arbeit in der Anstalt und muss sich nun ganz auf seine Malerei konzentrieren. Cornelis nimmt daraufhin das Angebot des Kunsthändlers Van der Meulen an¸ der Portaits in Auftrag gibt. Gleichzeitig wird er selbst verdächtigt ein Mörder zu sein¸ war doch einer der beteiligten Personen sein bester Freund. Auf Grund der Ähnlichkeit zu Rembrandts Malstil fängt Cornelis beim Meister der Farben als Schüler an. Dabei verliebt er sich in dessen Tochter Cornelia. Da er aber immer noch kein Geld hat¸ malt er die sinnlichen Bilder¸ Aktfotos würde man heute sagen¸ von nackten Damen des örtlichen Freudenhauses 'Musico'.
Bei seinen Ermittlungen findet Cornelis unter anderem auch die wahre Identität seines ersten Aktmodells heraus. Es handelt sich um die Tochter des angesehenen Geschäftsmannes van Riebeeck¸ Louisa mit Namen. Wie sie werden einige weitere junge Damen aus wohlhabenden Familien gezwungen¸ zur Linderung der familiären Finanzknappheit¸ als Freudenmädchen zu arbeiten. Als er eine Einladung von Louisa erhält¸ muss er entsetzt feststellen in einer Falle gelandet zu sein. Im Verlies eingesperrt entdeckt er¸ dass ausgerechnet sein Auftraggeber Van der Meulen hinter der ganzen abgefeimten Sache steckt. Suythof erkundigt sich bei van der Meulen¸ was denn der Vater von Louisa von deren Doppelleben hält. Van der Meulen macht seltsame Hinweise auf ein Bild mit blauen Farben und Cornelis ahnt furchtbares. Bis er sich aus der Zelle befreien kann ist alles zu spät¸ das Haus von Louisas Eltern steht in Flammen. Doch der Tragik nicht genug¸ wird er selbst als Mörder und Brandstifter festgenommen und gleichzeitig ist Rembrandt spurlos verschwunden.
Jörg Kastner studierte erfolgreich Jura¸ bevor er sein Hobby zum Beruf machte. Ich bin ihm sehr dankbar dafür¸ denn mit seinem neuen Roman¸ den ich inzwischen zum zweiten Mal gelesen habe¸ ist er wesentlich in meiner Gunst gestiegen. Ich lese selten einen Roman innerhalb kurzer Zeit zweimal durch. Doch Jörg Kastner hat es verdient und steht bei mir inzwischen weit höher in der Gunst als ein Stephen King oder Dean R. Koontz. Genaue Forschung in der Geschichte und die Kunst unglaublich spannend zu erzählen ergeben einen phantastisch-historischen Roman mit vielen Krimi-Elementen. Sprachlich und stilistisch gefällt mir Jörg Kastner sehr gut. Der Icherzähler Cornelis Suythof erzählt dem Leser der heutigen Zeit seine Geschichte¸ zeichnet aber gleichzeitig ein Sittengemälde der damaligen zeit mit viel Wissenswertem über die weltweite Organisation der Ostindischen Kompanie¸ der Ringerschule von Robbert Cors und den Zwistigkeiten zwischen den Kirchen der Calvinisten und Katholiken. Die Frage die sich mir stellt¸ ist es ein Krimi¸ ein Fantasy-Roman¸ ein historischer Roman¸ ein Mystery-Thriller oder eine Mischung aus Allem. Egal was es ist¸ ich finde es ist dem Autor grossartig gelungen. Das historische Amsterdam kommt einem stellenweise recht nah¸ dann wiederum ist es etwas platt¸ weil es sich lediglich auf die Verwendung von Orts- und Strassennamen beschränkt. Andererseits sind es die Verflechtungen der Handlungsstränge und die delikaten Liebhaberinnen des Malers¸ die die Erzählung angenehm erscheinen lassen.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355