Entführte Prinzessin
Von Drachen¸ entführten Prinzessinnen und Prinzen¸ die sich nicht entscheiden können.
"Die Prinzessin hieß Lisvana und war wunderbar schön. Sie hatte Haare aus lauterem Gold und lilienweiß schimmernde Haut¸ veilchenblaue¸ mandelförmige Augen und seidenweiche Brauen und unzählige weitere Vorzüge¸ aber trotzdem wollte kein Prinz um sie anhalten.
"Was¸ Lisvana vom Nordland"¸ sagten die Prinzen¸ wenn sie die aktuelle Liste heiratsfähiger Königs- und Fürstentöchter durchgingen¸ "ist das nicht die mit dem goldenen Haar und der popeligen Mitgift? Laß mal sehen!" Und dann blätterten sie weiter zur Mitgift-Seite und da stand unter Nordland-Mitgift: siehe Snögglinduralthorma-Mitgift¸ und unter Snögglinduralthorma-Mitgift: ein Streifen faulig riechendes Moorgebiet am nördlichsten Ende des Reiches¸ wo sowieso nie jemand hinkommt¸ kleine Truhen voller Silberlöffel zweiter Wahl und zwanzig der einheimischen¸ gelben Pferde¸ deren Plumpheit das dazugehörige gepunzte und kupferbeschlagene Zaumzeug auch nicht wettmachen kann. Die Pferde haben einfach zu kurze Beine."
Hoch oben im Nordland lebt Prinzessin Lisvana und es mangelt es an Prinzen¸ die sie heiraten wollen. Denn die Mitgift ist einfach zu popelig. Nicht¸ dass die Prinzessin diesen Prinzen-Mangel allzu sehr vermissen würde. Denn immerhin gibt es den Ritter Bredur und immer¸ wenn die beiden sich "zufällig" auf der Turmtreppe treffen¸ werden ihr die Knie weich.
Doch eines Tages kommt doch noch ein echter Prinz ins Nordland. Der schwarze Prinz aus Baskarien¸ reich ist seine Familie¸ wer "in" sein will¸ richtet sich nach den Sitten in Basko und Lisvana betrachtet ihn mit Wohlgefallen. Soweit ist alles in Butter und der Hochzeit stünde nichts mehr im Wege¸ wenn Ritter Bredur nicht beim Tanz dem unwillkommenen Konkurrenten ein Bein stellen würde¸ woraus sich eine prächtige Schlägerei entwickelt. Danach entführt der schwarze Prinz Lisvana einfach und Ritter Bredur folgt ihr durch ganz Europa¸ um sie zu befreien. Doch so einfach ist das alles nicht¸ denn Lisvana weiß nicht so recht¸ ob sie befreit werden will und welcher der beiden ihr besser gefällt. Als sie es dann doch wei߸ kann der Erwählte sich plötzlich nicht mehr entscheiden ...
Karin Duve mischt fröhlich alte Märchenmotive aus den verschiedensten Kulturkreisen mit Fantasy-Themen¸ vergisst auch nicht eine Prise literarischer Anspielungen und hat ein Buch geschrieben¸ das gleichermaßen witzig wie phantastisch und realistisch ist. Nicht die übliche heroische Märchen-Fantasy-Schiene¸ die seit dem Tolkien-Revival uns mit den immergleichen Heldengeschichten zu langweilen wei߸ sondern menschliche¸ sehr menschliche Helden und Prinzessinnen und eine Autorin¸ die alle durch den Kakao zieht. Ein wenig erinnert das Buch an "die Zauberlaterne" von Wolfheinrich von der Mülbe. Selten¸ dass deutsche Autoren sich auf dieses Gebiet wagen. Und Karin Duve¸ die so von der Literaturkritik verwöhnt und in die Schublade "Hochliteratur" gepackt wurde¸ gebührt Dank¸ dass sie keine Hemmungen hatte¸ einfach mal das Genre zu wechseln. Es ist ihr voll und ganz geglückt.
Einzig am Schluss habe ich ein wenig das Gefühl gehabt¸ dass sie etwas ihre Phantasie verlässt - oder traute sie sich nicht¸ dort ihre Helden richtig ernst zu nehmen? Doch das ist Beckmesserei und soll niemand von diesem Buch abhalten¸ dass in der Zeit immer gleichförmigerer Texte - egal ob in der "Hochliteratur" oder der "Fantasy" - einfach ein Lichtblick ist. Dem Leser wachsen jedenfalls die Prinzen und Ritter¸ Prinzessinnen¸ Kammerjungfern und Zwerge schließlich ans Herz. Auch Don Quichotte hat letztendlich die "echten" Helden all der anderen Ritterromane seiner Zeit überlebt.
Fazit:
Ein Buch zum Schmunzeln¸ Lachen und ein Muss für jeden¸ der Witz und die Mischung aus Realität und Phantasie liebt.
Leseprobe: http://www.eichborn-berlin.de/buecher/default.asp?lp=lp0952
Über die Autorin:
Karin Duve wurde 1961 in Hamburg geboren und lebt heute mit ihrer englischen Bulldogge¸ zwei Hühnern und einem Maultier auf dem Lande. Ihre beiden ersten Romane Regenroman (1999) und Dies ist kein Liebeslied (2002) waren Bestseller und wurden in 13 Sprachen übersetzt.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de