Ein neues Babylon
Die Betonung liegt nicht zufällig auf könnte: Dem Leser tut sich ein Abgrund auf¸ in dem eine Mischung brodelt¸ deren Ingridenzien aus einem Streifzug durch die letzten 50 Jahre SF-Geschichte stammen müssen. Da werden die "klassischen" Entdecker-Motive mit Cyberspace¸ Mutation¸ galaktischen Intrigen et cetera zusammengerührt¸ und das Ergebnis ist eine gerade noch bekömmliche Suppe mit geringem Nährwert.
Ich möchte nicht so weit gehen¸ dem Roman jedes Niveau abzusprechen¸ denn die eine oder andere faszinierende Idee läßt sich durchaus finden: Der Gedanke¸ den bekannten Weltraum nach Welten zu gleidern¸ deren Bewohner durch die Bank menschlicher Herkunft sind¸ die sich jedoch durch einen Nebeneffekt der ersten Überlichtflüge soweit verändert haben¸ daß sie ebenso gut als andere Spezies durchgehen könnten¸ ist in dieser Form vermutlich neu. Auch die neue Art der interstellaren Reisen¸ die nur von einigen dieser Mutationen gesteuert werden können¸ ist keine schlechte Idee¸ selbst wenn die Institution der elitären Navigatorengilde mich sehr an Frank Herberts "Dune" erinnert.
Was mich in erster Linie stört¸ ist daß speziell us-amerikanische Autoren häufig der Ansicht sind¸ durch die Verwurstung von Elementen aus der Lebensweise einer möglichst "exotischen" Kultur Pluspunkte bei den Lesern sammeln zu können. Bei Friedman müssen die Inuit dran glauben¸ und das Problem dabei bleibt¸ daß nie so recht klar wird¸ warum dem so ist. Damit läßt die Faszination schnell nach¸ zumal sich beim besten Willen keine Gedankenverbindung zur eigentlichen Handlung aufbauen läßt. Die Zeit¸ die laut Vorwort für die ethnologischen Studien und den gedanklichen Aufbau eines den Weltraum umspannenden Internets aufgewandt wurde¸ wäre in plausiblen Charakterdarstellungen besser investiert gewesen. So bleiben jedoch nur die Klischees des jugendlichen Hackers¸ des weltfremden Wissenschaftlers¸ der intriganten Gilde¸ den bösen Rassisten¸ den bedauernswerten Mutationen und natürlich eine (mehrfach!) persönlichkeitsgespaltene Protagonistin ... Eindeutig etwas zuviel des Guten.
Kann man darüber hinwegsehen¸ bleibt ein leidlich unterhaltsamer Roman mit einem offenem Ende¸ das den Lesern¸ die mehr Gefallen als ich daran finden¸ die - heutzutage scheinbar unvermeidliche - Fortsetzung garantiert.
Eine Rezension von: Marc H. Romain http://www.sonnensturm-media.de