Dr. Siri und seine Toten
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Der Laote Dr. Siri ist 72 Jahre alt und in normalen Ländern schon längst in rente. Da der Arzt in Laos praktiziert und das Land keinen Pathologen hat¸ wird er ganz schnell zu einem solchen erklärt. Praktisch im Heimstudium mit einem Lehrbuch aud den 1950er Jahren muss sich derDoktor in den 1970er Jahren mit seiner neuen Arbeit durchs Leben schlagen. Natürlich ist er durch dieses Heimstudium eher ein Schüler¸ denn ein student oder gar ein Könner. So ist er auf die Hilfe seiner Assistenten angewiesen. Etwa die ausgebildete Krankenschwester und Sekretärin Dui¸ die er kurzerhand zu seinem Lehrling macht. Oder dem leicht debilen Gehilfen Herrn Gün¸ de den Vorteil hat¸ sich an alles zu erinnern und sich besser in der Pathologie auskennt als der Doktor selbst.
Dr. Siri Paiboun bekommt ein Problem¸ als Frau Nitnoy auf seinem Tisch landet. Ihr plötzlicher Tod deutet auf Mord hin. Doch der Parteibonze¸ dessen Frau sie ist¸ sorgt dafür¸ dass die Frau abgeholt und eingeäschert wird. So wird es äusserst schwierig¸ einen Mord nachzuweisen. Vor allem¸ weil auch der vorläufige Bericht gestohlen wurde. Dieser Mord und der dreiste Diebstahl der Leiche ist das geringste Problem¸ mit dem sich Dr. Siri herumärgern muss. Plötzlich liegt ihm eine Leiche auf dem Tisch. Sie ist die erste von Dreien¸ die aus einem Stausee gefischt werden. Die Leiche scheint ein Vietnamese zu sein.
Siri und sein Kollege aus Vietnam untersuchen die Toten und erkennen sofort¸ dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Sie arbeiten gemeinsam an einem Fall¸ der in regelmässigen Abständen von Parteibonzen und Staatsfunktionären behindert wird. Während der Ermittlungen wird Siri in einen entfernten Landesabschnitt geschickt¸ um dort bei den Mong mysteriöse Todesfälle aufzuklären. Was er dort erlebt¸ ist für den alten Arzt dann wirklich zu viel. Er wird für einen Helden der Mong gehalten¸ der allerdings vor mehr als 1200 Jahren lebte. Überraschend spricht er plötzlich die Sprache des Volkes. Und noch etwas Mysteriöses widerfährt ihm. Er kann¸ ungewollt und ohne seinen Willen¸ Tote sehen und sich mit ihnen unterhalten. Der laotische Leichenbeschauer muss seinen Arbeit mit allereinfachsten Mitteln¸ zwei Lehrbüchern der Franzosen und einer Chemikerin durchführen. Die Chemikerin Oum ist die Einzige¸ die ihm in manchen Fällen helfen kann¸ da nur sie die chemikalien besitzt¸ die er benötigt. und sie zudem scheinbar die einzige lebende Chemikerin des Landes darstellt. Sobald er an einem Fall arbeitet¸ gibt er nicht eher Ruhe¸ bis er den Fall gelöst hat. Da kann ein Rätsel nach dem anderen kommen.
Colin Cotterill ¸ 1952 in London geboren und teilweise in Südostasien lebend¸ hat mit Dr. Siri einen wunderbar cleveren¸ makaberen¸ witzigen und intelligenten Menschen erschaffen. Er ist kein Geisterjäger¸ glaubt nicht an Übernatürliches und muss sich doch mit den Seltsamkeiten des Lebens auseinandersetzen. Ein besonderer Leckerbissen bei der Beschreibung der Erzählung ist natürlich das Land. Keine High-Tec-Spezialisten einer amerikanischen Grossstadt¸ sondern ein improvisierender Doktor aus Laos. Ein Land¸ nicht viel besser als ein Entwicklungsland. Colin Cotterill s Roman ist eine¸ witzige¸ spritzige und vor kleinen Bonmots strotzende Erzählung. Die humorvollen Dialoge sind einfach gelungen. Jan Josef Liefers leiht dem Doktor und den anderen Handlungsträgern der Geschichte in unnachahmlicher Weise seine Stimme. und sprühen vor Sprachwitz¸ was auch der hervorragenden Übersetzung zu verdanken ist. Cotterill erzählt nicht nur die Geschichte von zwei Kriminalfällen¸ sondern er beschreibt sehr liebevoll ein Land¸ was nur jemand zustande bringt¸ der es liebt.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355