Dr. Morton Band 1 (und 2): Blaues Blut
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
U nd ich bin dabei seit der Buchmesse in Leipzig. Joachim Otto von der Romantruhe hat die Romane¸ die unter dem Sammelpseudonym John Ball im Anne Erber Verlag erschienen¸ wieder neu aufgelegt. Nachdem ich die ersten Beiden neuen Romane mit den alten Romanen verglich¸ kann ich nur zustimmen¸ wenn es heisst¸ sie wurden 1:1 übernommen. Seit dem Frühjahr 2017 erscheint diese Horrorserie aus den 1970er Jahren wieder. Die Altersempfehlung liegt bei 16 Jahren¸ doch wenn ich mir die Spiele¸ Bücher und Filme ansehe¸ die heute Kinder in die Finger kriegen¸ ist diese Freigabe auch eher marginal.
Schräges Personal¸ wie etwa der Gehilfe Grimsby oder die Krankenschwester Barrington¸ verquere Logik¸ und eine mehr als fragwürdige Gut-Böse-Darstellung sind die Hauptbestandteile. Schliesslich komplettieren im Lauf der Reihe der Aristokrat Sir Henry und der Chirurg Dr. Reginald Dee das Personal von Dr. Morton. Nur weil ein „Böser“ andere „Böse“ bestraft¸ ist er selbst kein Guter. Man ist als Leser zwar geneigt¸ zu sagen¸ dies ist moralisch falsch. Insgeheim ist man aber mit der Bestrafung anderer „Böser“ einverstanden und zufrieden¸ vor allem weil man nicht zimperlich mit ihnen umgeht. Blutige Gewalt und sexuelle Desorientierung innerhalb der Reihe sorgten dafür¸ dass die Romane mit fast jedem dritten gedruckten Werk auf die Listen der Jugendgefährdenden Schriften gelangte.
Dr. Morton 1
John Ball Blaues Blut
Dr. Morton¸ Arzt und Chirurg¸ Mörder und Monster¸ ist in der gleichen Situation wie R. L. Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Nur dass er nicht eine zwiegespaltene Persönlichkeit ist¸ sondern beides bewusst miteinander verbunden wird. Der Arzt arbeitet an einem Blutersatzstoff. Da der Stoff noch nicht ausgereift ist¸ weist er noch Nebenwirkungen auf.
Die eine Nebenwirkung ist der Farbstoff selbst¸ die andere die Blutgerinnung. Die Farbe bewirkt¸ dass das freundliche „schwein-chenrosa“ der Hautfarbe des Menschen sich in eine blaue Farbe wandelt. Das Problem mit der Blutgerinnung ist¸ dass der Mensch¸ sollte er sich einmal verletzen¸ quasi ausläuft¸ denn das Blut gerinnt nicht. So ist das Projekt schnell zu einem „Auslaufmodell“ im doppelten Sinn der Wortwahl geworden.
Die Experimente gehen natürlich schief¸ Grimsby¸ der schon fast sexuelle Befriedigung beim Töten von blutjungen Frauen empfindet wird zum Doppelmörder. Irgendwie kommt aber Inspeector Spratt vom Scotland Yard macht sich dran¸ dem guten Doktor die Leviten zu lesen und beharrlich den Weg in den Knast vorzubereiten. Aber der Doktor wäre nicht der Doktor und die Serie zu Ende¸ wenn es bereits im ersten Band gelingen würde.
Dr. Morton 2
John Ball Das ist ihr Sarg¸ Sir
Der Untertitel des Romans trifft den Kern der Handlung auf den Punkt. DR. MORTONS UNFREIWILLIGER GAST. Und Dr. Mortons neue Gäste sind selten freiwillig in seinen versteckten¸ unterirdischen Versuchslaboren. Aber auch ältere Gäste¸ die den Abgang durch den Tod verpassten befinden sich noch hier. So etwa Fräulein Clandon¸ die immer noch für die Blutersatz-Experimente herhalten muss. Diese Rückblicke auf andere Abenteuer der Serie¸ finden häufiger statt. Damit greife ich der Serie natürlich vor¸ denn ich kaufte bereits die Erstauflage Ender der 1970er Jahre. Nur hat man mit der Zeit diverse Sammlungen aufgeben und verkaufen müssen. Die Gründe dafür sind vielfältig und an dieser Stelle nicht wichtig. Umso wichtiger ist der Nostalgieeffekt. Alte Kenner der Romanreihen aus dem Erber Verlag werden aus nostalgischen Gründen wieder zu den Heften greifen. Daher erfahren wir natürlich (wieder dass Dr. Morton neue Experimente nicht nur plant¸ sondern auch durchführt. Alte Versuche aber auch weiter führt. Man will ja Ergebnisse. Um jeden Preis. Und wie jedes gute Experiment¸ muss es unter gleichen Vorgaben auch zu gleichen Ergebnissen kommen. Daher werden sie wiederholt. Für seine neuen Versuchsreihen werden neue „Versuchskanninchen“ gesucht. Vorzugsweise der Gattung Homo Sapiens sapiens“. Dr. Morton hat ein neues Nervengas entwickelt¸ dass in geringen Mengen nicht tödlich¸ dafür sehr qualvoll wirkt. Um die Versuchsreihe zu starten wird Grimsby beauftragt¸ sich ein wenig umzusehen¸ ob es denn geeignetes Material gibt. Dieses ist schnell in Philipp Gregory gefunden. Der Herr Gregory entpuppt sich als Krimineller. Er lügt und betrügt¸ quält und tötet und was man sonst als Krimineller so anstellt. Quasi DAS Opfer für den Doktor. Und weil Herr Gregory es auf die junge¸ hübsche¸ Blondine Helen Sandringham abgesehen hat¸ was DR. MORTON nicht gefällt¸ steht auf Auswahlliste Herr Gregory an erster Stelle. Dummerweise unterlaufen Grimsby ein paar Fehler¸ so dass Gregory gewarnt ist.
Es wird natürlich noch spannender¸ denn Chefinspektor Spratt visiert immer noch Dr. Morton als Bösewicht an¸ obwohl dieser in der Verbrecherwelt doch etwas aufräumt. Dieser Zustand sollte dem Inspektor doch eher freundlich stimmen. Allerdings wird der Doktor immer wieder durch seine hervorragende Assistentin Cynthia Barrington informiert. Nicht dass der Polizist vom Yard eine Gefahr wäre¸ aber falls er mit seinen Ermittlungen zu nah an ihn herankommt¸ könnte es schwierig werden¸ einen Polizisten sachgerecht zu entsorgen.
Nun aber zum Fazit. Ja¸ ein wohlwollendes Fazit.
Wer seinen Freischwimmer in Hämoglobin noch nicht gemacht hat¸ kann dies in dieser Serie¸ zumindest lesetechnisch¸ nachholen. Die Lebensbeendigungs-GmbH des grimmen Schnitters hatte auch hier wieder zu tun. Die Todesfälle¸ nicht viel¸ dafür umso interessanter¸ sorgten für eine gewisse Spannung¸ die sich im ganzen Roman über hielt. Nicht dass sie sich über Seiten hingezogen hätten¸ aber sie waren der Anlass. Zart besaitete „Glitzer-Vampir-Leser“ sind sicherlich falsch am Platz¸ wenn Dr. Morton seiner Arbeit nachgeht. Auch von Unsterblichkeit ist keine Rede¸ eher das Gegenteil ist der Fall. Man könnte den kriminellen¸ sadistischen Bösewicht Dr. Morton sehr sympathisch finden¸ weil er andere kriminelle¸ sadistische Bösewichte aus dem Pool der sich fortentwickelnden Menschheit entfernt. Nur die Art und Weise entspricht nicht dem biederen Geschmack von Gut und Böse. Daher war es nicht weiter verwunderlich einige der Romane auf dem Index zu finden. Aber wer jetzt glaubt¸ dass der Doktor dies aus Menschenliebe macht... weit gefehlt.
Wie auch immer man sie sehen mag. Nostalgisch¸ blutig¸ gemein¸ grausam und ungerecht? Die Serie hat das gewisse Extra über die Jahrzehnte erhalten.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355