Die Tallinn-Verschwörung
Andrea Kirschbaum wohnt zur falschen Zeit am falschen Ort und muss das mit ihrem Leben bezahlen. Die Mörder ahnen nicht¸ welche Folgen das für sie haben wird. Denn Andrea war die Freundin des MAD-Agenten Torsten Renk und der wiederum war mal ein guter Freund von Hajo Hoikens¸ der in der Neonaziszene eine nicht unbekannte Größe ist. Hajo wurde von Torsten "enttarnt" und lässt sich nun von Mitgliedern eines Geheimbundes engagieren¸ die mit allen Mitteln den Beitritt der Türkei zur EU verhindern wollen. Während der EU-Ratsversammlung soll ein Sprengstoffanschlag dafür sorgen¸ dass der Geheimbund sein Ziel erreicht. Alles ist geplant und durchdacht¸ die Neonazis sind zum Einsatz bereit¸ aber dann erscheint Renk auf der Bildfläche¸ dessen Fähigkeiten Hoikens nur zu bekannt sind.
Bis zum geplanten Anschlag erlebt Renk allerdings noch die Hölle auf Erden. Er wird in den Kosovo befohlen und lernt dabei Graziella¸ die Großnichte von Kardinal Monteleone kennen. Ohne ihre Hilfe und die eines Genies hätte er diese Zeit wohl nicht überlebt …
Die Tallinn-Verschwörung ist ein rasanter Thriller¸ der den Leser von Anfang an in seinen Bann zieht. Die Autoren greifen ein hochbrisantes Thema auf¸ dessen Wertung sie lediglich von der Warte eines Geheimbundes und deren neonazistischen Handlangern vornehmen. Damit bleibt ein sachliches Fundament¸ auf dem die Autoren ihre Handlung emotional aufbauen können. Dies gelingt ihnen anhand der detaillierten Charakterisierung der Protagonisten ganz hervorragend. Torsten Renk und Petra Waitl - das anfangs erwähnte Genie - kommen dabei für meinen Geschmack am besten weg. Gerade die äußerlich wenig attraktiv beschriebene Petra besticht durch einen Wortwitz¸ der mir die Figur sehr liebenswert gemacht hat. Torsten Renk wurde in einer anderen Rezension mit James Bond verglichen¸ doch soweit würde ich nicht gehen¸ dafür wurde die Figur viel zu individuell entwickelt. Seine Frechheit¸ die er zuweilen an den Tag legt¸ lässt ihn trotz seines Berufes und seiner Fähigkeiten sehr menschlich erscheinen und macht ihn damit ebenfalls zu einem großen Sympathieträger.
Die Beschreibungen der Auslandseinsätze von Torsten Renk vermitteln beim Lesen einen Eindruck davon¸ was Menschen heutzutage in Kriegsgebieten durchleben müssen¸ ohne dabei pathetisch zu wirken. Anhand der Albanerin Lula bekommt man ganz nebenbei etwas über die Lebensverhältnisse in Krisengebieten erzählt. Den Autoren gelingt es dabei¸ die eigentliche Handlung nie in den Hintergrund zu drängen¸ und damit sind wir wieder bei der eigentlichen Story. Diese wird Stück für Stück entwickelt. Der Leser bangt von Anfang an mit¸ wie Renk es denn nun gelingen wird¸ die Mörder seiner Freundin zu stellen.
Anhand der Figur Graziella wird der Werdegang des Geheimbundes mit all seinen schmutzigen Geschäften dargestellt¸ was sich fast schon wie ein eigener Thriller im Thriller liest. Renk und Graziella haben ganz unterschiedliche Beweggründe für ihr Handeln¸ doch am Ende führen die Autoren die Handlungsstränge geschickt zusammen.
Die Verbindung der Kirche zu den Neonazis ist eine gewagte Konstellation¸ die sicher in beiden Kreisen nicht auf Zustimmung stoßen dürfte. Ich aber fand gerade diesen Ansatz sehr interessant und was die Autoren daraus gemacht haben¸ ist eine äußerst spannende Geschichte¸ deren Fiktionalität anhand von kleinen Hinweisen im Text untermauert wird. Bei aller Fiktion merkt der Leser aber auch sehr schnell¸ dass hier eine sehr gute Recherchearbeit zugrunde liegt. Diese Kombination macht den besonderen Reiz dieses Thrillers aus¸ denn er unterhält nicht einfach nur¸ er regt auch zum Nachdenken an.
Dass ich immer von "den Autoren" schreibe¸ liegt daran¸ dass Nicola Marni das Pseudonym den Autorenehepaars Iny und Elmar Lorentz ist. Nach ihren wahnsinnigen Erfolgen mit historischen Romanen wie zum Beispiel "Die Wanderhure" geben sie hier Debut im Bereich Thriller und dieses haben sie fabelhaft gemeistert.
Eine Rezension von: Anke Brandt http://www.geisterspiegel.de